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Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3

Titel: Inkarnationen 01 - Reiter auf dem schwarzen Pferd - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
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nur geschrien. Auch jetzt würde ich eigentlich schreien, aber die haben mich derartig mit
Optimismusmagie vollgepumpt, daß ich gar nicht richtig deprimiert werden kann. Sie scheinen mir
nur halb so übel zu sein, wissen Sie. Wenigstens haben Sie sich noch ein bißchen mit mir
unterhalten.«
»Ich bin halb übel«, erwiderte Zane. »Zu fünfzig Prozent böse. Aber du...« Er hielt inne. »Hast
du irgendeine schlimme Sünde auf dem Gewissen?«
»Na ja, ich habe mal in einem Geschäft einen Jojo geklaut...«
»Das ist nur ein geringfügiges Böses. Ich meine so etwas wie Mord.«
»Einmal habe ich mir gewünscht, meine Tante wäre tot, als sie mich wegen unanständiger Ausdrücke
bestraft hat.«
»Wünsche sind nicht von großer Bedeutung, es sei denn, man handelt auch danach. Hast du jemals
versucht, sie tatsächlich umzubringen?«
Tad reagierte mit Entsetzen. »Niemals! So was würde mir nicht einmal im Traum einfallen!« Er
lächelte wehmütig. »Na ja, dran gedacht habe ich wohl doch, aber ich wollte es nie wirklich
tun.«
»Vielleicht hast du irgendeine schreckliche Lüge erzählt, die einen anderen in schlimme
Schwierigkeiten gebracht oder einen Todesfall verursacht hat. Es muß irgend etwas sehr Schlimmes,
irgendeine große Sünde auf deinem Gewissen geben, wie ich schon sagte. Etwas, wovon du weißt, daß
es wirklich sehr böse ist.«
Der Junge dachte darüber nach.
»Es gibt zwar ein paar Sachen, die ich gerne getan hätte, aber ich hatte nie die Gelegenheit
dazu. Ich glaube, ich bin wirklich ziemlich sauber. Tut mir leid, daß ich nichts Besseres zu
bieten habe.«
Irgend etwas stimmte hier nicht. Zane holte die beiden Diagnosesteine hervor.
»Das wird nicht wehtun«, sagte er beruhigend.
»Das sagen diese Krankenschwestern mit ihren Spritzen auch immer.«
»Nein, wirklich nicht. Es ist völlig schmerzlos. Ich will lediglich das Böse in dir
abschätzen.«
Der gelbe Stein leuchtete hell auf, als Zane ihn dicht über den Körper des Jungen streichen ließ,
während der braune nur geringfügig dunkler wurde. »Du bist zu neunzig Prozent gut«, meinte Zane
überrascht.
»Ich habe Ihnen ja gesagt, daß mit mir nicht viel los ist.«
»Aber ich komme persönlich immer nur zu jenen Menschen, die im Gleichgewicht sind, deren Seelen
sich nicht aus eigener Kraft befreien können. Da muß ein Irrtum vorliegen.«
»Soll das heißen, daß ich gar nicht sterben werde?«
Zane seufzte. »Ich weiß es nicht, aber ich bezweifle, daß dies der eigentliche Irrtum ist. Ich
glaube, du solltest ursprünglich allein sterben, aber irgendwie wurde da eine Schaltung
vertauscht, und so wurde ich gerufen. Im Augenblick herrscht im Fegefeuer Personalmangel, da kann
schon mal was schiefgehen. Es tut mir leid, daß ich dich gestört habe. Es war nicht nötig, daß du
jemals erfahren würdest, was dich erwartet - bis es soweit ist.«
»O nein! Ich bin vielleicht künstlich glücklich, aber einsam bin ich trotzdem. Ich bin froh, daß
Sie gekommen sind. Das war eine glückliche Panne. Wenn ich schon gehen muß, dann lieber in
Gesellschaft. Darf ich auf Ihrem prächtigen Pferd reiten?«
Zane lächelte.
»Ja, das darfst du, Tad.«
»Dann bin ich wohl bereit.«
Zane drückte den Knopf auf seiner Uhr, und der gefürchtete Countdown begann aufs neue. Fünfzehn
Sekunden später erschütterte ein Anfall den Jungen, und Zane griff nach ihm, um seine Seele
hervorzuholen, damit er nicht länger als einen Augenblick Schmerzen hatte.
Er trug die Seele hinaus, wo das Pferd auf ihn wartete. Zane war zwar in der Limousine
eingetroffen, doch Mortis hatte irgendwie gespürt, was er nun brauchte. Zane saß auf und hielt
die Seele vor sich fest. Der Hengst sprang in den Himmel empor.
Auf dem Scheitelpunkt des Sprungbogens ließ Zane die Seele fahren. Sie schwebte weiter gen
Himmel, während das Pferd wieder der Erde entgegenflog.
»Lebewohl, Tad«, murmelte Zane. »Du kommst jetzt an einen besseren Ort als jenen, den du gerade
verlassen hast.«
Zane erledigte den Rest seiner Sammlung, klassifizierte die meisten Seelen und gab die anderen im
Fegefeuer ab. Dann begab er sich in das Todeshaus am Firmament, um eine Mahlzeit zu sich zu
nehmen und etwas zu schlafen. Die Türglocke spielte nun leichte klassische Musik, und das Haus
duftete nach Lilien. Es mochte ja sein, daß er in Sachen Tod handelte, aber er selbst war am
Leben und mußte sich durchsetzen.
Das Personal des Todeshauses erschien ihm durchaus lebendig und real, obwohl

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