Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
Regal herab. Der Zauber war aufgehoben
worden. Norton schleuderte das Weihwasser auf den kleinen Dämon.
Das Wasser traf sein Ziel - und der Dämon verpuffte im Rauch, genau wie zuvor - doch in der
Normalzeit um eine kritische Minute früher.
Er wandte sich wieder zu Agleh und dem Besessenen um. Der Mann lehnte an der Wand, einen
verblüfften Ausdruck im Gesicht. Agleh stand allein und massierte ihren wunden rechten Arm,
ansonsten ging es ihr gut.
Norton entspannte sich. »Es ist vorbei«, sagte er. »Der Mann ist nicht mehr besessen, und meine
Mission ist beendet.«
»Ich hielt es für ein gutes Geschäft«, brummte der nunmehr Befreite. »Aber als dieser böse Geist
tatsächlich die Herrschaft über mich an sich riß... Gott! Ja... ich werde mich jetzt Gott
zuwenden, solange noch Zeit ist!«
»Es ist vorbei«, bestätigte Agleh. Die Zeit lief nun in die normale Richtung, und sie alle
sprachen vorwärts.
Da verschwand sie. Plötzlich stand Norton allein in dem verlassenen, staubigen Haus. Was war
geschehen?
Er war wieder in seiner eigenen Gegenwart. Die Macht der Sanduhr war erschöpft, was ihn
zurückriß, als sein Wille die verblassende Magie des Instruments nicht mehr unterstützte.
Vielleicht hatte er sich bei dem Versuch, im normalen Zeitfluß zu leben, vom Strom der Welt
forttragen lassen, die Drei-Personen-Beschränkung verletzt und war zurückgeschleudert worden. So
oder so war es vorbei, er hatte Satans Plan durchkreuzt.
Er starrte auf seine nackte Hand - und begriff, daß er Sning verloren hatte. Agleh hatte ihn
getragen, als es geschehen war. Sning hatte sie durch seinen Biß gerettet. Anscheinend hatte der
Geist geglaubt, daß der Mensch sterben würde, deshalb hatte er sofort das sinkende Schiff
verlassen - und es war keine Gelegenheit mehr gewesen, Norton den Ring zu überreichen. Agleh
hatte es zwar vorgehabt, doch seine plötzliche Rückkehr hatte dies vereitelt.
Norton seufzte. Das war ein schlimmer Verlust! Doch Agleh vermißte er auch. Sie hatte ihm loyal
beigestanden, und es mußte ihr wehgetan haben, daß er sie so abrupt verließ.
Nun, vielleicht war es ja nur fair, daß sie ein Andenken an dieses Erlebnis behielt. Chronos war
fort, aber Sning würde sie darüber hinwegtrösten.
Mit Hilfe der Sanduhr kehrte er in sein Heim im Fegefeuer zurück. Das Instrument arbeitete nur
träge.
Es war ermattet. Dies galt auch für Norton; der Erfolg seiner Mission heiterte ihn nur wenig
auf.
Er sah im Briefkasten nach. Darin befand sich ein einzelnes kleines Päckchen, das er sofort
öffnete, neugierig darauf, was man Chronos wohl schicken mochte. Sning fiel ihm entgegen.
Eine kurze Notiz lag dabei, in weiblicher Handschrift: Chronos, ich konnte Sning nicht
behalten, er gehört Dir. Er hat mir gesagt, daß Dich diese Sendung erreichen würde.
Beste Wünsche, Helga. Norton starrte die Nachricht an, bis sie ihm vor den Augen verschwamm.
Welch eine prächtige Frau! Gab es denn keine Möglichkeit, ihr zu danken?
Sning entrollte sich, glitt über seine Hand und kringelte sich wieder um seinen Finger.
Druck.
Die Trennung war nur kurz gewesen, zumindest nach Nortons Maßstab, doch einem anderen waren es
acht Jahre - und gefühlsmäßig eine Ewigkeit. »Ach, Sning, ich bin ja so froh, dich wiederzuhaben!
Du sagst, daß ich Agleh danken kann?«
Nach Snings Mitteilung brauchte er lediglich eine kleine Reise zu dem Augenblick kurz vor dem
Eingriff in ihre Zeit zu machen und ihr einen Brief zu schicken, der sie nach ihrer Trennung
erreichen würde. Sning nannte ihm die Adresse, indem er die richtigen Buchstaben und Zahlen, auf
die Norton auf einem Blatt Papier deutete, bestätigte. Rein theoretisch wurden die Postsendungen
durch Magie beschleunigt, um eine Laufzeit von einem Tag zu ermöglichen, doch in der Praxis war
dies selten der Fall; es würde also kein Paradoxon vorzeitiger Auslieferung geben. Er konnte
sogar ein Paket schicken, mit irgendeinem Geschenk, das ihr Freude bereiten würde.
»Ja«, stimmte Norton zu. Plötzlich fühlte er sich schon sehr viel wohler. Er würde ein
entsprechendes Geschenk kaufen gehen.
Noch einmal warf er einen Blick auf die Mitteilung, bevor er sie wegsteckte. Beste Wünsche,
Helga. Und jetzt erinnerte er sich: Er hatte Helga in seinen jungen Jahren gekannt, als er
noch Angestellter im System war. Sie war auf ihn zugekommen und hatte gefragt: »Sind wir uns
nicht schon einmal begegnet?«, und er hatte sich von dieser Annäherung einer so schönen
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