Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
dann seinerseits zum entscheidenden Zeitpunkt zu der Pille vorstoßen würde, indem
er den zuvor georteten Dämonen aus dem Weg ging. Sning würde Agleh vor jeder drohenden Gefahr
warnen. Mit etwas Glück würde es keine Probleme geben, und sie würden die Sache erledigt haben,
bevor Satan auch nur irgend etwas davon ahnte.
Dann konnte sich Norton endlich entspannen. Er würde in seine eigene Zeit zurückkehren und Agleh
niemals wiedersehen, was er bedauerte: Ihr Erscheinen hatte die letzten Stunden erheblich
aufgehellt.
Er wußte, daß er es lieber nicht tun sollte, dennoch fragte er sie auf dem Papier: MAGST DU DIE
WILDNIS?
Sie erwiderte: DIE LIEBE ICH. Warum quälte er sich selbst?
»!riw neheG« sagte sie forsch und schritt auf die Tür zu. Norton mußte zurückbleiben, bis alle
Dämonen geortet waren. »Ich werde hier warten«, sagte er etwas lahm.
»sühcsT« pflichtete sie ihm bei und ging. Am Fenster sah Norton, wie sie auf die beleuchtete
Straße hinaustrat. Der Dämon lief noch immer Patrouille, schenkte Agleh jedoch keine
Aufmerksamkeit. Norton entspannte sich ein wenig. Es funktionierte! Er sah Agleh nach, bis sie
verschwunden war, dann schritt er rastlos im Zimmer auf und ab. Die Frau war an dem Dämon
vorbeigekommen und das war gut. Dennoch beunruhigte ihn die Ungewißheit, wie viele von Satans
Dienern sich wohl regelmäßig unter die lebenden Menschen mischen mochten. Behielt der Fürst des
Bösen stets ein Auge auf die Geschehnisse der profanen Welt? Wie konnte man jemals sicher sein,
daß das Böse nicht hinter der nächsten Ecke lauerte? Ein beunruhigender Gedanke.
Die Uhr an der Wand schwankte, und er sammelte seine Konzentration; er wurde immer müder, oder
die Sanduhr wurde es, und nun, da er nichts mehr hatte, was ihn aufputschen konnte, fiel es ihm
zunehmend schwerer, die Umkehr des Zeitstroms aufrechtzuerhalten. Es lag nur noch eine Stunde vor
ihm, doch die erschien ihm nun länger als die ganze Zeit, die bisher verstrichen war.
Weiterhin schritt er auf und ab und kämpfte um die Kontrolle über die Zeit, doch die Uhr geriet
immer häufiger ins Schwanken. Vielleicht fehlte Aglehs Willensunterstützung.
War das die ganze Sache eigentlich wirklich wert? Wäre es so schlimm, wenn Satan siegte? Es wäre
so leicht, alles einfach fahrenzulassen und den normalen Zeitfluß wieder zuzulassen. Er erkannte,
daß seine Einstellung der des Erfrierenden glich, der einfach nur schlafen wollte und sich der
Gleichgültigkeit der Schwäche ergab. Er war so müde; sein Wille war erschöpft.
Er ließ sich in einen Sessel gleiten, seine Augen wurden glasig. Dieses Apartment erinnerte ihn
an das von Orlene - die Frau, die ihr Baby zu sehr geliebt hatte und daran gestorben war, wegen
des Bösen, das in den Genen der Familie von Gawain dem Gespenst lauerte.
Dieses Böse, das die Erblinie entlangreiste und jeder Generation seinen schrecklichen Zoll
abverlangte. Wo war es entstanden? Wo würde es enden?
Da verdichtete sich etwas in seinem Geiste. Das Böse war für Orlenes Tod verantwortlich gewesen -
es mußte also von Satan gekommen sein.
Plötzlich war Norton wach und aufmerksam. Satan hatte ihm Orlene genommen, und dafür war er Satan
noch etwas schuldig. Nun hatte er Gelegenheit, es dem Fürsten des Bösen heimzuzahlen, indem er
seinen üblen Plan zunichte machte.
Wieder begann der rückläufige Zeitstrom. Die Uhr nahm erneut ihren Rückwärtsmarsch auf. Norton
wußte nun, daß er es schaffen würde. Der Haß würde erreichen, was das Pflichtgefühl nicht
vermochte.
Um 5.25 Uhr kehrte Agleh zurück. »!trüpsegfua ella eis nebah riW« rief sie. Dann griff sie nach
Papier und Bleistift und zeichnete eine Skizze, die sowohl die Geister als auch die Besessenen
mit ihren Standorten wiedergab. Erstere markierte sie mit einem großen G, zweitere mit einem
großen B.
Gerade noch rechtzeitig! »Ich muß bald in das Haus«, sagte Norton, dem zwar bewußt war, daß sie
nicht alle seine rückwärts gesprochenen Worte verstehen, ihren allgemeinen Sinn aber durchaus
begreifen würde. »Ich muß jeden einzelnen Dämon wissen!«
Er musterte die Karte und verfolgte auch die Streifengänge der einzelnen Dämonen. Diese waren
einigermaßen berechenbar. Er brauchte also nur eine gute Zeitplanung, um durchzukommen. Es war
wie ein Labyrinth oder ein Videospiel: wenn er geschickt genug manövrierte, würde er Punkte
machen.
Er konzentrierte sich auf die Skizze und lernte die wichtigen Punkte
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