Inkarnationen 02 - Der Sand der Zeit - V3
verschwunden. Orlene stand in der Tür, in einen grauen Hausmantel
gekleidet.
»Wieder Gawain?«
Norton nickte. »Ich sollte mich nicht von ihm provozieren lassen.«
»Irgendwie hat er ja recht. Er will seinen Erben haben.«
»Ja. Dabei vernachlässigt er den gesellschaftlichen Aspekt der Sache.«
Sie glitt auf ihn zu. »Norton, zuerst, das gebe ich zu, war ich trotz des Leuchtens mißtrauisch.
Sie haben zwar geleuchtet, aber...« Sie zuckte die Schultern.
»Seitdem habe ich auf Ihr Leuchten geachtet, während Sie mit ihm sprechen. Es flackert im
Einklang mit Ihren Reaktionen. Es ist kein Lügendetektor, aber es zeigt mir an, was Sie wirklich
empfinden.«
»Ich bin kein Bluffer«, bestätigte Norton reumütig. »Er will, daß ich wie ein angeheuerter
Beschäler meine Arbeit mache und verschwinde. Bevor ich Sie kennenlernte, dachte ich, ich könnte
es, aber jetzt kann ich es nicht mehr.«
»Ich weiß«, sagte sie sanft. »Sie wollen wirklich das tun, was richtig ist.«
»Ja. Und das besteht möglicherweise darin, zu verschwinden.«
»Nein!« schrie sie. »Bitte, Norton, nein! Ich habe Ihnen doch gesagt, daß ich es nicht aushalten
würde...«
»Aber wenn ich tue, was er sich vorstellt, sind Sie morgen auch wieder allein.«
»Gawain ist ein Idiot«, fauchte sie. »Er versteht überhaupt nichts davon, wie man einen Erben
zeugt. Ich könnte heute nicht einmal schwanger werden, wenn man mich künstlich befruchtete. Es
ist nicht der richtige Zeitpunkt. Und selbst wenn es das wäre, gäbe es keine Garantie, daß es mit
einem Mal getan wäre. Die einzige Möglichkeit, sicherzugehen, besteht darin, solange zu bleiben,
bis mit Hilfe eines Tests die Schwangerschaft festgestellt wurde - und das könnte mehrere Monate
dauern.«
Norton spreizte die Finger.
»Sie haben natürlich recht. Ich bin genauso töricht wie er.«
»Sagen Sie ihm das jetzt«, sagte sie. »Seine Anstrengungen verzögern alles nur. Ich gebe Ihnen
zwei Minuten.«
»Aber das würde bedeuten, daß ich...«
»... monatelang bleiben muß«, beendete sie seinen Satz. »Haben Sie etwas dagegen?«
»Nein!« sagte er, von seinem eigenen Gefühl überrascht.
»Dann sagen Sie es ihm. Danach wird er nicht mehr ständig an Ihnen herumnörgeln, und wir haben
endlich unseren Frieden.« Sie machte kehrt und ging.
Gawain erschien aufs neue. »Ich habe es mitbekommen«, sagte er. »Das Mädchen hat recht. Also gut,
dann werde ich solange eine Weltreise unternehmen. Und Sie bleiben hier, bis Sie sicher
sind.«
»Wie war das mit dem Sichdurchfuttern auf Kosten Ihres Besitzes?«
»Das habe ich im Zorn gesagt. Ich entschuldige mich dafür. Ich möchte, daß Sie bleiben. In
Ordnung?«
Norton seufzte. »Ja.«
»Aber dann werde ich Ihnen vorher noch beibringen, wie man Drachen erlegt.«
»Das sollte meine Bezahlung sein«, sagte Norton.
»Aber da wußten wir ja noch nicht, wie lange das Ganze dauern würde. Betrachten wir doch statt
dessen die Unterkunft und die Verpflegung als Bezahlung.«
Gawain lächelte, winkte und verschwand.
Orlene kehrte zurück. »Alles in Ordnung?«
»Ja. Er ist einverstanden. Er ist gegangen.«
»Sind Sie sicher?«
»Na ja, sicher kann ich mir nie sein. Aber er sagte, daß er auf eine Weltreise geht. Ich
glaube, er hat es eingesehen.«
»Welch eine Erleichterung«, sagte sie. »Ich... das heißt... ich kann so etwas nicht so einfach
sagen... willst du es jetzt machen?«
Mehr Einladung brauchte Norton eigentlich nicht. Er war selbst überrascht, als er ablehnte. »Es
hat keinen Zweck. Es ist ja die falsche Zeit des...«
»Du willst es nicht... einfach nur tun... zum Spaß?«
Norton zögerte. »Mit jeder anderen Frau, die so aussähe wie du, mit Vergnügen. Das habe ich schon
getan... früher. Aber hier geht es nicht um Spaß und Vergnügen. Das ist Arbeit. Ein Geschäft.
Anders kann ich die Sache nicht rechtfertigen.«
»Warum nicht?«
Norton starrte zu Boden. »Ich kann dich niemals heiraten.«
»Du verlangst zuviel.«
»Ja, das tue ich wohl. Früher habe ich das nie getan, aber jetzt...«
Sie schritt im Zimmer auf und ab. »Hör mal«, sagte sie plötzlich, »viele Männer haben Geliebte,
die mehrere Ehefrauen hintereinander überleben. Weil sie an den Geliebten ein echtes
Liebesinteresse haben. Warum solltest du da unbedingt fortgehen müssen - jemals?«
»Ich bin ein Wanderer. Ich bin noch nie lange an einem Ort geblieben.«
»Aber wenn eine Frau dazu bereit wäre, mit dir zusammen zu reisen?«
»Das war bisher noch keine, und du
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