Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
überlegten.
»Einer entfällt, jetzt sind es noch drei«, meinte Atropos. »Wen nehmen wir uns als nächsten
vor?«
»Nun, wir haben eine junge Schwarze, einen östlichen Kampfsportler und die
Teufelsanbeterin.«
»Nehmen wir uns die leichten Fälle zuerst vor«, meinte Atropos. »Ich werde die Schwarze
aufsuchen.«
»Aber zuerst sollten wir uns ein wenig hinlegen«, warf Clotho ein. »Wir müssen ausgeruht sein,
sonst machen wir wieder Fehler.«
Die anderen stimmten ihr zu. Außerdem gab es noch einige Routinefäden zu spinnen, zu plazieren
und zu beschneiden; es hatte keinen Zweck, die Arbeit zu vernachlässigen. Sie erfüllten ihr Soll
und legten sich dann gemeinsam schlafen.
Am nächsten Morgen New Yorker Zeit übernahm Atropos den Körper und begab sich auf ihre erste
Reise über den Faden hinab ins Reich der Sterblichen. Das Mädchen befand sich zu Hause und
flirtete gerade mit zwei Jungen. Sie war ungefähr fünfzehn, die Jungen waren älter.
Wie eine Geißel aus dem Fegefeuer platzte Atropos herein.
»Was machen diese Jungen hier, Mädchen?« fragte sie und blickte wütend um sich. Das Mädchen
wirkte erschrocken, die Jungen verlegen. »Du sollst doch zu Hause keinen Besuch empfangen, wenn
du allein bist, das weißt du genau! Wenn deine Großmutter das wüßte...«
»Großmutter ist tot«, verteidigte sich das Mädchen.
»In ihrem Grab würde sie sich umdrehen!« fuhr Atropos ohne Unterbrechung fort. »Und wenn deine
Mutter das erfährt...«
Das Mädchen quiekte erschreckt auf.
»Die hängt dir hinterher deinen schwarzen Hintern auf die Leine, damit er abkühlen kann!« sagte
Atropos und fixierte sie mit einem tödlichen Blick. »Stimmt's, Mädchen?«
Das Mädchen nickte unwillkürlich. Atropos fuhr auf die Jungen zu. »Und jetzt macht, daß ihr
fortkommt!«
In ihrer Panik stießen die Jungen beim Versuch zu fliehen gegeneinander. »Und wenn ich euch beide
hier noch einmal erblicke, komme ich persönlich mit dem Rohrstock bei euch vorbei!« rief sie den
Flüchtenden nach.
Woher hast du gewußt, daß sie eigentlich nicht hier sein sollten? fragte Niobe. Das
haben wir doch gar nicht am Faden abgelesen!
»Ich kenne Jungen«, brummte Atropos, »und ich kenne Mädchen. Sobald ich ihre Gesichter gesehen
habe, wußte ich, was sie vorhatten.« Sie lächelte heimlich. »Genau das gleiche, was ich in
diesem Alter vorhatte. Hat mich früher zur Oma gemacht als nötig.«
Sie wandte sich wieder dem Mädchen zu, das gerade versuchte, die Fassung wiederzugewinnen. »Wer
bist du?« wollte das Mädchen wissen. »Du bist nicht meine Mutter! Du hast mir gar nichts zu
sagen!«
»Ich bin eine Freundin deiner Großmutter, Mädchen«, erwiderte Atropos. »Die kann nicht in Frieden
ruhen, bevor sie sicher ist, daß du auf dem richtigen Weg bist, deshalb schaue ich jetzt bei dir
vorbei. Eins kann ich dir sagen, was ich hier zu sehen bekomme, gefällt mir überhaupt nicht! Du
drehst hier ja noch richtig durch - warum bist du nicht in der Schule?«
»Ich bin in der zweiten Unterrichtsschicht!« protestierte das Mädchen. »Die fängt erst in zwei
Stunden an.«
Atropos rollte die Augen. »O je, ich weiß nicht, ob ich die Sache in zwei Stunden erledigen
kann.« Dann blickte sie wieder das Mädchen an. »Du steckst in mächtigen Schwierigkeiten,
Kind!«
»Hör mal zu, alte Frau, es steht dir nicht zu, hier hereinzuplatzen, als würde dir die Wohnung
gehören! Ich kann tun, was ich will, laß mich in Frieden!«
Atropos seufzte. »Ich sehe schon, wir müssen es wohl mit der harten Tour versuchen. Ich muß dich
verzaubern.«
»Du kannst doch gar keine Magie!« höhnte das Mädchen. »Und du kannst auch nicht...«
Atropos packte sie am Arm und schleuderte mit der freien Hand einen Faden in die Höhe. Sie lernte
die Fadenmanipulation immer schneller. »Ich mag keine Widerworte, Mädchen!« Dann glitt sie den
Faden empor und trug das Mädchen mit sich.
Das Mädchen schrie, als sie durch die Decke krochen und in den Himmel gelangten. »Laß mich los!
Laß mich los!«
Atropos warf einen Blick nach unten. Dort wurden die Dächer bereits immer kleiner. »Bist du
sicher, Mädchen? Wenn ich dich jetzt loslasse, fällst du runter wie ein Stein.«
Das Mädchen überlegte und schwieg. Atropos glitt auf die Wolkenbank, die die Grenze zum Fegefeuer
darstellte, dann hielt sie inne. »Und jetzt will ich, daß du reinen Tisch machst, Mädchen. Wenn
du mich anlügst, lasse ich dich von dieser Wolke fallen!«
Das Mädchen
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