Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
schlimm genug, um ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen. Sie würden ihm
die Sache ausreden müssen und Niobe konnte die Fäden inzwischen gut genug deuten, um zu wissen,
daß dies nicht leicht sein würde.
Zunächst einmal war da ein Knick in dem Faden, der darauf hinwies, daß etwas außerordentlich
Wichtiges ihn berührt hatte. Das mochte Satan gewesen sein, als er sein Angebot machte. Doch wenn
der Mann es angenommen haben sollte, würden sie ihn da noch aufhalten können, ohne seinen Faden
zu beschneiden?
Clotho übernahm den Körper. »Ich werde es versuchen«, sagte sie schlicht.
Sie streckte den Spinnrocken vor, ließ den Faden ausfahren und glitt zum derzeitigen
Aufenthaltsort des Mannes. Es war früher Morgen, der Mann befand sich an seinem Arbeitsplatz. Das
war ein Dojo ein Trainingszentrum für Kampfkünste, der im Staate New Jersey lag.
Das hätten wir uns denken können, dachte Niobe. Sein Name ist ja auch
Samurai.
»Und das bedeutet Krieger«, murmelte Clotho. »Ein sehr anspruchsvoller Titel!«
Sie öffnete die Tür und trat ein. Drinnen befand sich ein Pult, an dem ein Mädchen in einem Gi
saß, einer Kampfsportuniform. »Möchten Sie sich für den Lehrgang einschreiben?« fragte sie
höflich.
»Nein«, erwiderte Clotho. »Ich möchte mit Samurai sprechen.«
Das Mädchen lächelte. »Der Meister kümmert sich nicht persönlich um die Anmeldungen. Aber im
Unterricht wird er Ihnen die gleiche Aufmerksamkeit widmen wie allen anderen Schülern auch, und
wenn Sie genügend Talent haben, können Sie später vielleicht in einem Fortgeschrittenenkurs eine
Spezialausbildung genießen.«
Sie musterte Clotho abschätzend. »Natürlich ist das teurer und verlangt ein besonderes
Engagement.«
»Ich möchte keine Schülerin werden«, beharrte Clotho. »Ich habe sehr persönliche Dinge mit dem
Mann zu regeln.«
Das Mädchen musterte sie erneut. Plötzlich war sich Niobe des Aussehens ihres jüngsten Aspekts
bewußt. Sie war gut gekleidet - die Kleidung im Heim der Schicksalsgöttin war von allerbester
Qualität, aus echter Seide gefertigt und mit magischer Vollkommenheit maßgeschneidert - und sie
war auch so eine äußerst gutaussehende Frau. Eine Person, die man nicht nur beiläufig beachtete.
»Ich werde mich erkundigen«, sagte das Mädchen und drückte auf einen Knopf. Einen Augenblick
später erhielt sie eine Antwort. Sie hob den Blick. »Nehmen Sie den Gang nach links, durch den
Vorhang. Ach so, und ziehen Sie bitte die Schuhe aus, bevor Sie ins Büro eintreten. Da ist er
sehr eigen.«
»Danke.« Clotho schritt den Gang entlang, dann blieb sie stehen, um ihre hübschen Schuhe
auszuziehen, bevor sie durch einen dünnen Bambusvorhang trat.
Das Büro sah aus wie ein japanischer Garten, überall mit Zierpflanzen und orientalischen Statuen
geschmückt, und den Boden bedeckte eine breite Matte. An der gegenüberliegenden Seite saß auf
einem kleinen Podest ein gutaussehender Mann in einem prachtvollen Gi , es war fast eine
Robe. Staunend blieb Clotho am Eingang stehen. »Oh, ist das schön!« hauchte sie. »Ich bin noch
nie in Japan gewesen, aber...«
»Treten Sie vor«, sagte der Mann. »Fürchten Sie sich nicht vor dem Tatami.«
Sie trat vorsichtig auf die Matte, die gleichzeitig weich, aber auch fest war. »Samurai, ich
möchte mit Ihnen über etwas reden...«
»Warten Sie«, sagte er, und sie brach ab.
»Drehen Sie sich um, Frau.«
Clotho zögerte, dann drehte sie sich um.
Der Mann erhob sich, es war eine fließende Bewegung, ohne jede Anstrengung. Dann trat er an einen
hinter einem Vorhang liegenden Schrank, wobei er sich bewegte wie ein geschmeidiger Panther. Er
holte einen zusammengefalteten Kimono hervor. »Ziehen Sie dies hier an.«
»Was?«
»Ich will, daß Sie richtig angezogen sind«, sagte er. »Gehen Sie dort drüben in den
Umkleideraum.« Er zeigte auf eine Tür. »Dann werden wir uns unterhalten.«
»Samurai, ich weiß ja nicht, was Sie glauben, weshalb ich gekommen bin...«
»Nicht zum Unterricht«, sagte er. »Nicht aus geschäftlichen Gründen. Also wollen Sie eine Geisha werden.«
»Eine Geisha!« rief sie empört.
»Was ist eine Geisha?« fragte Atropos.
Ein japanisches Unterhaltungsmädchen der obersten Klasse, erwiderte Niobe.
Ach, so nennen sie die da drüben! Bei uns heißen die Nutten. Das ist nicht dasselbe, fing Niobe
an, doch dann wurde sie durch die äußeren Ereignisse unterbrochen.
»Sie hatten andere Absichten?« fragte Samurai.
Clotho wechselte
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