Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
dich
tun?«
Clotho erklärte, daß alle drei Aspekte der Schicksalsgöttin neu im Amt waren und deshalb
Schwierigkeiten hatten, Satans Intrigen mit geeigneten Mitteln zu besiegen. »Jetzt habe ich
diesen Kampfsportler namens Samurai beleidigt und muß ihm Genugtuung geben, bevor ich ihn dazu
überreden kann...«
»Samurai! Den kenne ich! Er ist ein guter Krieger, wenngleich vielleicht nicht auf demselben
hohen Stand wie jene, deren Ruhm er sich ausgeliehen hat. Ein Mann der alten Schule, mit diesem
altmodischen Stolz. Er hat dich also für eine Geisha gehalten!«
»Ja«, gestand Clotho verlegen.
»Und du hast ihm vor versammelter Mannschaft einen Tritt in den Hintern verpaßt.«
»Ja«, bestätigte sie matt.
»Dann wirst du ihm Blut geben müssen.«
»Nein! Kein Töten!«
Mars machte eine Geste mit seinem Schwert, und die Kampfhandlungen hörten abrupt auf. Die Kanonen
verstummten, und selbst das Stöhnen der Verwundeten verstummte. »Frau, du hast ihm seine Ehre
verletzt! Weißt du, was das bedeutet?«
»Ja«, erwiderte sie grimmig.
»Er ist unbeugsam, wenn es um Ehrendinge geht. Heute gibt es nur noch wenige wie ihn. Er ist wie
Stahl in einem Zeitalter des Rostes und des Plastiks, ein echter Mann. Was den Kampf betrifft,
kann ich ihm Genugtuung geben, aber nur du kannst seinen inneren Schmerz lindern. Und bevor du
das getan hast, wird er deinem Anliegen nicht entsprechen. Das sollte er auch nicht. Lieber Tod
als Schande, ganz der großen Tradition entsprechend.«
»Aber wir versuchen doch gerade, den Tod zu vermeiden und den Krieg zu verhindern...« Sie geriet
ins Stocken und starrte ihn an.
»Und ich bin der Krieg«, beendete Mars ihren Satz. »Frau, Wollen und Tun sind zweierlei. Aber ich
verstehe dich. Ich bin eine Inkarnation, und du bist eine andere. Ich werde heute für dich tun,
was ich tun kann, und eines Tages wirst du es umgekehrt ebenso machen.«
Clotho seufzte. »Die Männer wollen also alle dasselbe!«
»Du wirst deine Fäden so anordnen, daß du mir meine Lage erleichterst, wenn ich einmal in der
Klemme sein sollte«, erklärte Mars. »Das ist eine Frage der Zusammenarbeit zwischen den
Inkarnationen.«
»Ach so.« Clotho errötete.
»Der Grund, weshalb die Frauen glauben, daß Männer, immer nur dasselbe wollen«, fuhr Mars
ungerührt fort, »liegt darin, daß es das einzige ist, was Frauen in Männern erkennen können. Zum
Beispiel verstehen Frauen manche Dinge wie Ehre nicht.«
»Das stimmt nicht!« rief Clotho.
»Ach nein? Dann reden wir doch einmal über die Ehre. Du hast Samurais Ehre befleckt. Wenn du mit
ihm ein Geschäft abschließen willst, mußt du ihm dafür die deine geben. Natürlich bist du eine
Jungfrau...«
»Woher willst du das wissen?« fragte sie ihn.
»Das ist eine der Sachen, von denen wir männlichen Chauvinisten etwas verstehen«, meinte Mars
ironisch.
»Begreifst du jetzt, welches Blut du Samurai darbieten mußt?«
Clotho blieb stumm vor Abscheu.
Er hat recht, dachte Niobe.
So sind die Männer eben, meinte auch Atropos.
»Du magst ihn doch, nicht wahr?« fragte Mars unerbittlich und grausam.
Clotho sprang ihn an, ihre Nägel kratzten über sein Gesicht.
Ihr Temperament geht schon wieder mit ihr durch, dachte Niobe.
Das Mädchen hat Feuer im Hintern, pflichtete Atropos ihr bei.
Mars wehrte sie mühelos ab. »Ich sehe schon, daß wir ausgezeichnet zurechtkommen werden«, sagte
er. »Ich liebe es, wenn mir hübsche Mädchen in die Arme springen. Nun, ich werde dort sein und
die Sache für dich regeln. Doch am Ende müssen du und Samurai es untereinander bereinigen. Du
mußt dich nur entscheiden, wie wichtig dir das ist. Er ist ein prächtiger Mann.« Er setzte sie ab
und drehte sich um, worauf die Schlacht wieder begann.
Clotho stand mit Zornestränen in den Augen da, unfähig, gegen Mars' Frechheit anzugehen.
Verschwinden wir von hier, Mädchen, dachte Atropos.
Benommen ließ Clotho einen Faden ausfahren und glitt zurück ins Fegefeuer. Niobe hatte Mitgefühl
für sie.
Das Mädchen hatte sein ganzes Leben um Unabhängigkeit und Gleichheit gekämpft, und nun wurde sie
in die alte Geschlechterrolle zurückgedrängt. Sie war zwar anders, als es Niobe in ihrer Jugend
gewesen war, dennoch verstand Niobe sie gut genug, um zu wissen, daß sie sich besser nicht
einmischte.
Sie aßen zu Mittag und ordneten völlig gedankenverloren einige Fäden. Dann zog sich Clotho Hosen
an, flache Schuhe und eine schlichte Bluse, um an dem Faden ins Dojo zurückzukehren.
Weitere Kostenlose Bücher