Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Tischen. Zwar wurden verschiedene Glücksspiele angeboten, doch das System war
stets das gleiche.
»Nun, ich hatte noch nie viel für Glücksspiele übrig«, meinte Niobe.
»Aber das ganze Leben ist doch ein einziges Glücksspiel«, erwiderte Mira begeistert. »Doch es
gibt auch noch andere Wege, die in die Hölle führen. Ich zeige Ihnen die nächste Etage.« Sie
führte sie zu einer weiteren Treppe.
Niobe blieb stehen. »Ich sehe gerade, daß die anderen den Fahrstuhl benutzen.«
»Nun ja, aber dafür müssen sie auch unterschreiben.«
»Dafür unterschreiben?«
»Einen weiteren Vertrag«, warf Gäa ein.
»Nur eine Zusatzklausel«, versetzte Mira hastig.
»Ein weiteres Prozent ihrer Seele?« wollte Niobe wissen. »Ich dachte, das wäre der
Gesamteintrittspreis. Was hat das für einen Sinn, um Punkte zu spielen, wenn man dann doch
bezahlen muß, um die nächste Stufe zu erreichen?«
»Nun, der allgemeine Eintrittspreis berechtigt einen, den Vergnügungspark zu betreten, und dann
spielt man darum, zu den anderen Etagen zugelassen zu werden, aber das ist eine Frage der
Qualifikation und nicht der Bezahlung. Wenn es diese Qualifikation nicht gäbe, würden manche
ungeeigneten Leute in für sie unpassende Etagen kommen, und wenn wir keine Bezahlung verlangten,
würden wir nicht, wie Sie selbst ja auch gerade eben bemerkt haben, lange im Geschäft bleiben. Es
ist ein Doppelsystem, völlig klar und ehrlich. Natürlich müssen ja auch die tieferen Etagen
finanziert werden.«
»Wie viele Etagen gibt es denn?«
»Nun, die genaue Zahl kenne ich nicht. Aber es kommt niemand in alle.«
Weil, wie Niobe erkannte, bei einem Prozent pro Etage jeder mehr als die Hälfte seiner Seele
verlieren würde, bevor er alles durchgemacht hatte, so daß er ohnehin ein endgültiges Opfer der
Hölle geworden war.
Welch ein System! dachte Atropos.
Ja, welch ein höllisches System! Nur ein Narr konnte in eine solche Falle laufen - doch es waren
gerade jede Menge Narren in Arbeit.
Die nächste Etage glich einem riesigen Geld Warenhaus. Auf Tischen lagen Stapel mit den Währungen
vieler Nationen, mit Gold-, Silber- und Platinbarren und mit Kästen voller Edelsteine. Ein
Überfluß an Reichtum!
Wie von einem Magneten angezogen, schritt Niobe zu einer Truhe mit funkelnden Rubinen. »Darf
ich?« fragte sie.
»Aber natürlich, prüfen Sie ruhig die Ware«, gewährte es ihr Mira großzügig. »Natürlich können
Sie als Touristin nichts davon behalten, aber wenn Sie sich dazu entschließen sollten,
mitzumachen...«
Für ein oder zwei Prozent des Guten in ihrer Seele! Niobe schnitt eine Grimasse. Und doch, die
Edelsteine waren wirklich schön. Sie nahm einen Rubin auf. Es war ein facettierter Stein, von
tiefem, prunkvollem Rot, mit Abstand das Schönste, was sie jemals gesehen hatte. Sie drehte ihn
zwischen ihren Fingern, halb benommen von seinem Glanz. Langsam begann sie die Natur dieser
Versuchungen zu verstehen. Solch ein prachtvoller Stein für so wenig Seele!
»Vielleicht solltest du ihn einmal genauer untersuchen«, bemerkte Gäa.
Niobe hob das Lorgnon und sah erneut hin. Der Rubin war nichts als ein Kirschkern. Niobe ließ ihr
Gesicht zu einer Maske erstarren, um ihr Geheimnis nicht preiszugeben. Alle Rubine waren
Kirschkerne! Und die Diamanten am Nebentisch waren nichts als grobe Klumpen Quarz.
Voller Neugier untersuchte Niobe auch einen Stapel Goldmünzen. Sie bestanden aus runden
Karottenscheiben. Nun mußte Clotho lachen. Karotten anstatt Karat! Dieser Satan hat wirklich
einen teuflischen Sinn für Humor!
»Teuflisch«, stimmte Niobe zu.
»Wie war das?« fragte Mira.
»Eine teuflische Versuchung«, erwiderte Niobe.
Sie schritt an einen Tisch voller grüner Geldscheine. Die waren aus Salatblättern. Salat! dachte Atropos und schlug im Geiste vor Vergnügen einen Purzelbaum. Richtiger grüner Salat!
Satan ist wirklich ein Schlitzohr!
»Ja, da fühlt sich wohl jeder versucht«, sagte Mira, die Niobes Lächeln mißverstand. »Dieser Raum
war es auch, der mich dazu bewegte, mich der Sache anzuschließen. Als ich all diesen Schmuck
erblickte...« Sie zeigte auf einen Tisch, auf dem kunstvolle, kostbare Halsbänder lagen. »Aber
Sie sind doch keine Spielerin, oder?« fragte Niobe.
»Nein, ich gehöre zum Stab. Aber ich habe als Spielerin angefangen. Und dann, als ich zuviel
haben wollte...«
Sie biß sich auf die Lippe. »Das heißt...«
Sie war also dazu verführt worden, zuviel von dem Guten in ihr aufzugeben! Nun
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