Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
HÖLLE MIT DIR!
In ihr lehnte eine gelangweilt aussehende Frau von etwa vierzig Jahren. »Das ist sie«,
murmelte Niobe. »Elsa Mira, eine Anwerberin für die Sache Satans.«
»Nun, wir werden uns von ihr anwerben lassen«, sagte Gäa. »Nenn mich Ge, ich werde dich Lac
nennen.« Sie lächelte matt, als lege sich ein Schleier vor die Sonne. Plötzlich kam Niobe der
Verdacht, daß Gäa sie doch erkannt hatte. Die Grüne Mutter aber konnte wie kein zweites Wesen auf
der Welt Geheimnisse für sich bewahren.
Sie näherten sich dem Stand. »Wir sind eigentlich nicht daran interessiert, in die Hölle zu
kommen«, fing Niobe an. »Aber trotzdem wollten wir uns Ihre Schriften ansehen.«
»Sehr gerne«, sagte die Frau und wurde plötzlich lebhaft.
»Die Hölle hat eine ziemlich schlechte Presse in letzter Zeit, aber wir arbeiten jetzt daran, das
zu ändern.« Sie holte eine bunte Broschüre hervor.
Niobe betrachtete das Titelblatt. Darauf waren zwei süße Teufelbabies abgebildet, das Wahrzeichen
des Höllenfeuers, Dee und Dee. Einer war männlich, der andere weiblich. Als sie hinsah, hob der
männliche Teufel seine kleine rote Hand und winkte ihr feierlich zu. Sie war erschrocken, obwohl
sie hätte wissen müssen, daß die Diener der Hölle natürlich über große magische Kräfte verfügten,
um das Publikum zu beeinflussen.
»Vielleicht kannst du das Gedruckte besser erkennen, wenn du deine Brille benutzt, Lac«, murmelte
Gäa.
»Ach so, ja, danke, Ge«, sagte Niobe. »Das vergesse ich immer wieder.« Sie hob die Brille an die
Augen und spähte durch die Gläser. Niobe erstarrte. Anstelle des süßen Bildes erblickte sie eine
Linse. Sie wurde gerade auf Video aufgenommen!
Sie nahm die Brille wieder ab. Wieder winkte ihr der kleine Teufel.
Jetzt erst begriff sie, warum Gäa ihr aufgetragen hatte, die Brille zu verwenden. Die war
verzaubert und konnte Illusionen durchschauen. Nun wußte sie bereits, daß die Satanisten nicht
nur ihre Werbebroschüren vorzeigten, sondern daß sie jeden, der sich erkundigte, sofort
überprüften. Sie gingen weitaus professioneller vor, als es den Anschein hatte. Mit dieser
Kameralinse ließ sich die gesamte Begegnung aufzeichnen, man konnte ihr Bild danach im Computer
speichern, samt Retinalabdrücken. Die Hölle wollte wirklich ihre Nummer haben.
Zum Glück hatte sie nie Retinalabdrücke machen lassen. Als Sterbliche hatte sie auf dem Land
gelebt, wo so etwas nicht üblich war. Mit diesem Hilfsmittel würde die Hölle es nicht schaffen,
ihre wahre Identität zu erfahren.
Gäa öffnete die Broschüre. Niobe blickte wieder durch ihre Brille und sah, daß die Seiten
lediglich Rahmen waren; die heimtückische Kameralinse blieb. Doch ohne die Brille erblickte sie
das Gedruckte: Szenen, die glückliche, gesunde Menschen zeigten, beim Schwimmen, beim
Tennisspielen, beim Skifahren und vor einem Sonnenuntergang. FAHR ZUR HÖLLE, verkündete das
Gedruckte, und GENIESSE DAS »LEBEN DANACH« IN VOLLEN ZÜGEN.
»Kann man in der Hölle Skifahren?« fragte Niobe zweifelnd. »Ich dachte immer, da wäre es so
heiß.«
»Aber natürlich kann man dort Skifahren«, meinte die Anwerberin ermunternd. »Die Hölle ist sehr
groß, dort herrschen verschiedene Klimata, genau wie in der Welt der Sterblichen. Manche Gegenden
liegen in ewigem Schnee.«
Tatsächlich hatte Niobe dies bereits in ihrer früheren Zeit als Inkarnation schon erfahren. Sie
wußte, daß man in diesem Schnee arme sündige Seelen so fest gefrieren ließ, wie man dies mit
Geistern nur konnte und daß die einzigen Skiläufer dort die Dämonen waren, die mit großem
Vergnügen über diese für alle Zeiten tiefgefrorenen, erschreckten Gesichter dahinjagten. Wie so
oft wurde auch hier nicht die volle Wahrheit über die Hölle gesagt. Der Schnee existierte zwar,
doch wurde er nicht so genutzt, wie in der Broschüre dargestellt. Die ganze Werbekampagne für die
Hölle beruhte auf Fälschungen. Nur sehr verwirrte Menschen konnten darauf reinfallen. Leider war
es jedoch offensichtlich, daß dies viele taten.
Aber Niobe war nicht gekommen, um mit ihrem Wissen über die Hölle zu glänzen. Sie wollte es Mira
ausreden, die Bombe in den UNO-Komplex zu bringen, um auf diese Weise den letzten potentiellen
Bombenleger auszuschalten. Sie mußte sich wie ein unwissender Skeptiker verhalten, bis sie
genauer wußte, wie sie vorgehen sollte.
»Ich weiß ja nicht«, meinte sie. »Skifahren, Schwimmen... ich dachte, die Hölle wäre
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