Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3

Titel: Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Piers Anthony
Vom Netzwerk:
zögerte, hielt sie ihn fest und küßte ihn leidenschaftlich. Als er
versuchte, in sie einzudringen, aber verwirrt innehielt, weil der Weg verborgen lag, warf sie
sich ihm entgegen und zeigte ihm den Weg. Es tat weh, doch mit dem Schmerz einher ging eine
unaussprechliche Freude und eine Nähe, die sie noch nie zuvor gekannt hatte. »Cedric...
Cedric...«, flüsterte sie und biß ihm sanft in die nackte Schulter.
Zugleich fand sie sich im Sumpf wieder, neben der Wassereiche und betrachtete diese von drei
Seiten. Von der einen sah sie die Eiche mit der Frische der Jugend und der Unschuld, wie zum
allerersten Mal. Von der anderen Seite musterte sie den Baum mit den zynischen Augen der
Erfahrung, verstand sein Wesen und schätzte ihn so, wie er war. Von der dritten Seite aus sah sie
ihn mit der Bedeutsamkeit des Alters. Sie besaß eine schier endlose Erinnerung an den Baum in all
seinen Jahreszeiten, zu einem ewigen Faden gesponnen und um ihren Rocken gewunden, wie einen
kleinen Stab, um den ihr Garn zum Spinnen gewickelt war. Sie war sich der gesamten Geschichte des
Baums bewußt. Und doch waren die drei Ansichten eins, waren Facetten, weder miteinander
verschmolzen noch voneinander getrennt; alle drei Ansichten bildeten zusammen den Eindruck eines
Ganzen, wie Farben oder Kontraste. Sie verstand diesen Baum!
Irgendwie war da noch eine vierte Ansicht, doch verschleiert, und sie wußte, daß sie diese
niemals sehen wollte, denn sie war absolut gräßlich. Und doch auch diese Perspektive war Teil des
Ganzen, der schmerzhafte Aspekt einer im allgemeinen positiven Wirklichkeit.
Dann war der Augenblick völliger Verzückung verstrichen und wich einer etwas allgemeineren, aber
angenehmen Bewußtheit. Während die Wogen verebbten, blieb sie in Cedrics Umarmung.
»Jetzt bin ich besessen«, flüsterte sie. Das Wort hatte eine dreifache Bedeutungsebene, es bezog
sich auf Besitz, auf Sexualität und auf teuflisches Bewußtsein. Ihre Vision von der Wassereiche
schien ihr Bewußtsein zersplittert zu haben, so daß alles, was ihr zuvor einfach und schlicht
vorgekommen war, nun auf wunderbare Weise komplex wirkte.
Erfüllt schlief Cedric nach einer ganzen Weile ein. Nun wurde sich Niobe ihres Zustands wieder
bewußt. Sie erhob sich, säuberte sich sorgfältig, wusch ihr Haar und trug etwas Heilsalbe auf.
Sie wollte nicht, daß Cedric glaubte, ihr weh getan zu haben, wenngleich es ein Schmerz gewesen
war, der ihr Leben verändert hatte. Dann überprüfte sie das Bett und entdeckte den Blutfleck auf
dem Laken; wie sollte sie den verbergen? Auf keinen Fall wollte sie, daß er durch die
Collegewäscherei ging und den Angestellten nicht nur offenbarte, was sie getan hatten, sondern
auch noch, daß es das erste Mal gewesen war. Also holte sie einen feuchten Schwamm und
bearbeitete den Fleck so lange, bis er nicht mehr zu identifizieren war. Nun konnte sie sich
endlich ausruhen.
Am Morgen kehrte Niobe nach Hause zurück, überließ Cedric seinen Studien und seinen
unglaublichen, neuen Erinnerungen. Doch verging diesmal nicht allzuviel Zeit, bis sie ihn wieder
besuchte. Sie vermißte ihn und wollte so oft wie möglich bei ihm sein. Ihr ordentliches Haus
gefiel ihr nicht mehr.
Sie wollte, daß Cedrics Gegenwart es belebte. Sie war wirklich verliebt.
Wieder liebten sie sich im Gästehaus. Diesmal war es leichter, weil sie ein wenig Erfahrung
hatten. Und außerdem, dachte sie etwas pikiert, war sie nun entjungfert. Wieder reagierte sie
fast so schnell und heftig wie er, denn ihre große Liebe trieb sie an. Während des Höhepunkts
hatte sie erneut eine Vision.
Diesmal stand sie vor der Wassereiche und erblickte eine Spinne, die an einem unsichtbaren Faden
emporkletterte. Ich kann das, dachte sie. Sie griff empor und packte ihren eigenen unsichtbaren
Faden, um an ihm hinaufzusteigen, denn nun besaß sie vier Hände und vier Füße. Tatsächlich war
sie eine Spinne, die Webkünstlerin schlechthin. Welch ein Netz sie hervorbringen würde! Doch dann
ließ die Ekstase nach, und sie wurde wieder eine Menschenfrau, die sich in den Armen ihres
Geliebten ausruhte. Sie überlegte, ihn zu fragen, ob auch er in diesem Augenblick Visionen hatte,
doch sie ließ es, weil sie befürchtete, er könne glauben, sie langweile sich, während sie sich
liebten. Das stimmte gar nicht; es erschien ihr weitaus wahrscheinlicher, daß ihre Visionen ein
transzendentes Überschäumen des Vergnügens darstellten. Sie liebte es, mit

Weitere Kostenlose Bücher