Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
Sie auch nicht in Sicherheit, Senator! Dieser Dämon wird
zurückkehren und...«
»Ich werde mich verstecken, wenn er kommt!« keuchte er und verlangsamte sein Tempo. Er besaß
nicht genügend Kondition, um die ganze Strecke zu laufen. Der Wagen des Attentäters kehrte
tatsächlich zurück, und der Senator versteckte sich im Gebüsch. Menschen, die von Dämonen
besessen waren, waren nicht sonderlich wachsam und nahmen auch nicht viel wahr, weil der Dämon in
der Regel den größten Teil seiner Energie darauf verwenden mußte, den besessenen Körper zu
steuern, so daß das Ding nicht einmal nach rechts oder links blickte. Es hätte besser
funktioniert, wenn der Dämonengeist einfach nur im Körper mitgefahren wäre, so daß der Mensch
lediglich Instruktionen befolgt hätte - doch wenn es zu den Instruktionen gehörte, einen
selbstmörderischen Zusammenstoß herbeizuführen, war das nicht machbar. Der Dämon mußte die
Gesamtkontrolle behalten, damit sein Opfer nicht im letzten Augenblick noch einen Rückzieher
machte. Das war wahrscheinlich auch der Grund, weshalb er nicht allzulange überleben konnte. Denn
es bedurfte sehr viel geistiger Energie, um körperliche Energie zu beeinflussen.
Doch warum hatte Satan dann keinen Volldämon geschickt - wie bei der Hochzeit des Magiers?
Wahrscheinlich, weil dies äußerst kompliziert und schwierig war. Wahre Dämonen lebten nur in der
Hölle und ließen sich nur sehr selten freisetzen. Die Welt der Sterblichen stellte für Dämonen
eine feindliche Umgebung dar, genau wie für Engel. Es war erheblich einfacher, Dämonengeister
einzusetzen wie diesen hier, dafür waren sie aber auch weniger zuverlässig.
Sie gelangten an eine Brücke und blieben entsetzt stehen. Das hölzerne Geländer war zertrümmert.
Offensichtlich war der Wagen von der Brücke abgekommen und ins Wasser gestürzt.
»Sie kannte doch den Weg nicht!« rief der Senator. »Sehen Sie mal... die Brücke macht eine Kurve,
und sie ist geradeaus gefahren...«
Er riß sich die Jacke vom Leib und entledigte sich mit einem Tritt seiner Schuhe. Dann sprang er
ins Wasser, auf der Suche nach dem Wagen. Einen Augenblick später gelangte er keuchend wieder an
die Oberfläche. »Er ist hier unten!«
Wieder tauchte er unter, wieder kam er empor. »Ich bekomme ihn nicht auf!«
Niobe glitt an einem magischen Faden in die Tiefe, das Wasser konnte ihr nichts anhaben. Doch in
diesem Zustand konnte sie nur beobachten und nichts Feststoffliches manipulieren. Sie sah den
Wagen und darinnen das Mädchen.
Sie kehrte ans Ufer zurück. »Sie ist tot«, meldete sie. »Sie können nichts mehr unternehmen.
Gehen Sie zurück zum Haus.« Dann kehrte sie mit Trauer im Herzen ins Fegefeuer zurück.
Dort wurde sie bereits von Satan erwartet. »Du wolltest dich also einmischen, Zuckerpüppchen«,
sagte er. »Nun, da hast du keinen Erfolg gehabt.«
»Immerhin habe ich sein Leben gerettet!« erwiderte Niobe wütend.
»Ja, und dafür das Leben eines unschuldigen Mädchens ausgelöscht!« konterte er. »Meinem Ziel ist
jedenfalls gedient. Mir ist es egal, ob dieser Mann lebt oder stirbt. Ich wollte nur, daß er
politisch erledigt wird. Und das haben wir erreicht.«
Niobe stapfte an ihm vorbei und würdigte ihn keines weiteren Wortes mehr. Doch die darauf
folgenden Ereignisse gaben Satan recht. Der Senator verbreitete die Geschichte, daß er das
Mädchen in die Stadt hatte zurückfahren wollen und durch ein falsches Fahrmanöver von der Brücke
gestürzt sei. Er behauptete, daß es ihm gelungen sei, sich aus dem Wagen zu befreien, dem Mädchen
jedoch nicht. Manche glaubten ihm, andere wiederum nicht. Immerhin war er doppelt so schwer wie
das Mädchen. Wie war es ihm dann gelungen, sich zu befreien, ihr aber nicht? Es blieben zu viele
Fragen offen. Der Senator war ursprünglich der Favorit seiner Partei für die
Präsidentschaftskandidatur gewesen, doch nach dem Skandal wurde er nicht einmal mehr nominiert.
Zwar behielt er sein Amt als Senator, doch nie würde er Präsident werden. Seine Karriere war
beendet.
Niobes Zorn auf Satan wallte wieder auf. So oft hatte sie versucht, seine Pläne zu vereiteln und
hatte es mit bitteren Verlusten bezahlt, erst mit Cedric, dann mit Blanche, und nun mit dem
Senator. Sie wünschte, sie könnte Satan ein für alle Male ausschalten. Doch wer guten Willens
war, schien gegenüber der völlig skrupellosen Macht, die das inkarnierte Böse war, stets im
Nachteil zu sein.
Chronos' Zeit
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