Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
bemerkt, daß seine sterbliche Existenz
ihm sinnlos und langweilig erschienen war, so daß er die Gelegenheit beim Schopf gepackt hatte,
eine Inkarnation zu werden, als sie sich ihm bot. Doch hatte er nicht gewußt, daß dies bedeutete,
rückwärts leben und gegen Satan kämpfen zu müssen.
Nun, bald würde sie den zukünftigen Chronos kennenlernen. Da kam auch schon eine andere Gestalt
auf sie zu. Das war er! Nein das war der Chronos, den sie kannte! Sie merkte es an seinen
Bewegungen. Er schritt vorwärts, der andere rückwärts, und beide trafen aufeinander. Plötzlich
blitzte die Sanduhr auf.
Da erblickte sie mit einemmal im Leuchten der Sanduhr drei Gestalten: zwei junge Frauen und ein
Kind! Die Frauen sahen auf seltsame Weise vertraut aus. Niobe sah die eine im Umriß, als sie sich
umdrehte: mit Wespentaille, fließendem Haar...
Sie unterdrückte einen Schrei, es war ihr Doppel!
Das Doppel kam direkt auf sie zu. »Komm mit mir, Niobe«, sagte es. »Ich erkläre es dir.« Die Frau
nahm Niobes Hand.
Verdutzt ließ Niobe es zu, daß die Frau sie fortführte, während die andere Frau und das Kind
zurückblieben. Was war hier los?
Etwas abseits drehte das Doppel sich lächelnd zu ihr um. »Ich bin du selbst, in zwei Stunden«,
erklärte die Frau.
»Erinnerst du dich noch, wie du dich selbst verdoppelst, wenn du mal eine Stunde in Chronos' Haus
verbringst?«
»Oh. Ja. Aber...«
»Dann gibt es drei von dir«, fuhr die andere fort. »Nummer eins geht auf das Haus zu; Nummer zwei
befindet sich darin und lebt vorübergehend rückwärts; und die Nummer drei deines Selbst ist die,
die wieder vorwärts lebt, nachdem sie aus dem Haus hervorgekommen ist. Bisher seid ihr einander
stets aus dem Weg gegangen.«
»Äh, ja, aber...«
»Im Augenblick bist du Nummer eins. Ich bin Nummer drei. Nummer zwei ist bei Chronos und lebt
gerade rückwärts.«
»Aber das hier ist doch gar nicht sein Haus!«
»Er hat uns für eine Stunde in Umkehrlauf gebracht. Er wollte Gesellschaft, die ihm beisteht,
schließlich ist er ja nur ein Kind.«
»Das... Kind, das ich gerade gesehen habe?«
»Chronos kann jedes Alter oder jedes Geschlecht haben, wie jede andere Inkarnation auch«,
erinnerte Nummer drei sie. »Er wird es dir erzählen, wie er es mir berichtet hat. Ich will nur
sichergehen, daß du die Situation verstehst.«
Niobe atmete tief durch.
»Ich... ich glaube schon. Aber wer... wer hat dir die Sachen erklärt, als du Nummer eins warst?
Ich meine, wenn wir alle Teile ein und derselben Person sind...«
»Damals hat es mir natürlich Nummer drei erklärt.«
»Aber du bist doch Nummer drei!«
»Ja, das bin ich jetzt. Damals war ich es nicht, da war ich du.«
»Aber...«
Die andere lachte. »Versuche nicht, es zu analysieren, Selbst-Schwester! Sonst wirst du noch
wahnsinnig. In Wirklichkeit gibt es natürlich gar nicht drei von uns, nur eine, die drei
aufeinanderfolgende Rollen hat. Vergiß nicht, daß Chronos unempfänglich gegen Paradoxien ist, und
das sind wir auch, wenn wir mit ihm zu tun haben.«
Niobe nickte, wenngleich ihr schwindelte. »Jetzt weiß ich auch, wie sich Chronos fühlte, als er
sein Amt antrat, vor wenigen Minuten. Das übersteigt wirklich das normale Verstehen!«
»Ich weiß. Aber es ist auch schwer für den anderen Chronos. Er hat Angst. Also sei nett zu ihm,
das wird dir nicht weh tun. Das muß ich ja wohl wissen.« Dann lachten beide. Sie waren völlig,
nicht zufälligerweise zwei sehr ähnliche Menschen.
Sie plauderten noch für den Rest der Stunde und tauschten Erinnerungen aus. »Das müssen wir eines
Tages mal wieder machen!« sagte Nummer drei ihres Selbst, und Niobe stimmte zu. »Wenn wir das
nächste Mal etwas Zeit in Chronos' Haus verbringen, dann kommst du einfach ein wenig früher, und
ich warte auf dich.«
»Abgemacht.« Sie gaben sich die Hände.
Dann, als der entscheidende Moment nahte, kehrten sie zurück. »Nun müssen wir uns trennen«, sagte
ihr Selbst Nummer drei und umarmte sie. »War nett, mit dir zu reden.«
»Gleichfalls«, meinte Niobe. Sie entdeckte Tränen auf den Wangen der anderen. In all den Jahren
seit ihrer Zeit als Clotho hatte sie dies noch nie getan. Nun begriff sie, was ihr entgangen
war.
Niobe schritt auf das Kind mit der anderen Frau zu. »Hallo«, sagte sie.
»ollaH«, erwiderte ihr Selbst Nummer zwei.
Dann trat Nummer zwei plötzlich zurück und verschmolz mit Niobe. Es gab einen schwachen Stoß, und
Niobe stolperte vorwärts.
»Hallo«, sagte
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