Inkarnationen 03 - Des Schicksals duenner Faden - V3
diesmal schon?«
Der Bergkönig zählte die Jahre an den Fingern ab. »Ungefähr fünfundzwanzig Jahre. Warum?«
Das erklärte die Sache. Er hatte die ganze Spanne ihrer neugewonnen Sterblichkeit verschlafen.
»Ich bin vor dreizehn Jahren wieder ins normale Leben zurückgekehrt«, sagte Niobe. »Jetzt bin ich
mit meiner Tochter und meiner Enkelin hier. Wir sind nicht gekommen, um dich zu bestehlen.«
Der Mann musterte die Instrumente, die die Mädchen in den Händen hielten. »Wenn du für diese
Mädchen sprichst, Clotho, werde ich ihnen glauben. Tatsächlich meinte ich, im Traum die Musik
meiner Harfe zu hören, die auf eine Weise gespielt wurde, wie es mir gefällt.« Doch dann
schreckte er plötzlich zusammen. »Eine Enkelin in dreizehn Jahren? Gewiß, dein Körper kann jeden
Mann um den Verstand bringen, aber...«
»Aus meiner früheren Sterblichkeit her«, erläuterte Niobe schnell. Sie zeigte auf Luna. »Deine
Vitrine hat das Gemälde angenommen, das sie gemalt hat, deshalb...«
»Das stimmt. Weshalb dann der Alarm?«
»Das möchte ich selbst gerne wissen! Wir waren schon halb draußen, als...«
»Den Alarm veranlaßte nicht ich«, sagte der Riese. »Dieser Sache will ich nachgehen. Folge mir,
Clotho.« Er stapfte in die Höhle, und seine Fußabdrücke glühten hinter ihm. Er war sehr
zornig.
Sie folgten ihm, diesmal ohne sich mit den Motorrädern abzugeben. Die glühenden Fußabdrücke
garantierten ihre Sicherheit.
Als der Bergkönig die mittlere Höhle erreicht hatte, trat er ins Wasser, welches sofort
verdampfte und den trockenen Boden freigab. Dann gelangte er an das Hindernis, worauf sich ein
darin befindliches Tor öffnete, um ihn ungehindert durchzulassen. Kein Zweifel, er war wirklich
der Herr dieses Orts! Zutiefst beeindruckt, folgten sie ihm.
In der dritten Höhle befand sich die Schlucht, ebenso die Wache haltende Fledermaus. Der König
stapfte hinein, und die Illusion oder Wirklichkeit verschwand, so daß die Höhle plötzlich leer
war. Das zitternde Lichtmuster, das von der Fledermaus noch übrig geblieben war, floh
davon.
Nun kamen sie in die Kammer mit den Vitrinen. Dort befand sich ein Dämon, der den Finger in die
Vitrine mit der Harfe gesteckt hatte. Offensichtlich war es dieser böse Einfluß, der den
Diebstahlalarm ausgelöst hatte. Solange dieser Dämon hier war, konnte niemand weiter,
»Ho! Das ist Lokis Werk!« rief der Bergkönig und schleuderte seinen mächtigen Hammer wie ein
Spielzeug. Der Hammer traf den Dämon, die Kreatur löste sich in Rauch auf, und die Vitrine
explodierte.
Der Bergkönig nahm wieder seinen Hammer auf. Die weit verstreuten Splitter der Vitrine
implodierten, nahmen ihre ursprüngliche Gestalt wieder an und ließen einen Hauch von jener Musik
erklingen, die Orb gespielt hatte.
»Geh in Frieden, Clotho«, polterte der Riese. »Du und die Deinen. Verzeih mir diese
Belästigung.«
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Niobe ein wenig verdutzt. Sie führte die Mädchen wieder ins
Freie. Diesmal gab es keine Probleme beim Rückweg.
Der Pinsel und die Harfe waren wunderbare Instrumente, und beide Mädchen entwickelten weiterhin
ihr Talent. Als sie die Schule beendet hatten, beherrschten sie ihre Kunst besser als jeder
andere. Niobe war überzeugt davon, daß sie im Leben ihren Weg machen würden, sofern die
Schicksalsgöttin es zuließ. Doch galt noch immer die alte Weissagung über die verworrenen
Schicksalsfäden, die sich bisher noch nicht verwirklicht hatte.
Nach Blendas Tod zog der Magier Kaftan mit Luna nach Amerika, ohne sie war ihm das alte Land
unerträglich geworden. Der Abschied von Luna fiel Niobe schwerer als der von ihrem Sohn, denn
tatsächlich hatte sie ihrer Enkelin nähergestanden. Doch sie konnte nichts dagegen einwenden.
Luna war eine prachtvolle, vernünftig denkende junge Frau, die schon gut für ihren Vater sorgen
würde.
Dann, zweiundzwanzig Jahre nach ihrer Heirat, starb auch Pacian. Er war vierundsiebzig Jahre alt,
keineswegs mehr jung, dennoch traf es sie wie ein Schock. Irgendwie hatte sie ihn noch immer für
elf Jahre jünger gehalten als sich selbst, und sie war ja körperlich erst sechsundvierzig. In
ihrer ersten Spanne der Sterblichkeit hatte sie dreiundzwanzig Jahre gelebt, in der zweiten
dieselbe Zahl. Es war, als hätte sie endlich die Spanne vollendet, die ihrer ursprünglichen Liebe
zu Cedric beschieden gewesen war.
Nun hatte sie ihre Familie großgezogen und sah zufrieden der notwendigen Trennung
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