Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
zum ersten Mal froh darüber, nicht frei reden zu können.
»Man hat die fünf Männer tot in einer Gasse gefunden. Alle Anzeichen sprechen dafür, daß ein
Berserker sie erschlagen hat. Ihr wißt doch, was ein Berserker ist? Wenn ein solcher Mann Blut
schmeckt, dreht er durch und bringt alle um.«
Mym zuckte die Achseln.
»Doch dann wird die Sache ziemlich rätselhaft«, erklärte der Prinzipal weiter. »Ein Berserker
bringt alle um, die sich in seiner Reichweite befinden. Also hätte er, nachdem er die Thugs
getötet hat, auch die Frau erschlagen müssen, um dann wie ein Amokläufer in der Stadt zu wüten,
bis er von einer Streitmacht von mindestens zwanzig gut ausgebildeten Soldaten überwältigt werden
könnte. Aber nichts dergleichen ist vorgefallen.«
Mym hörte noch immer schweigend zu.
»Orb nun berichtete, daß Ihr ihr ein Tuch gegeben hättet, damit sie es sich vor die Augen band.
Dann hättet Ihr sie fortgeführt, und erst nach einer Weile hätte sie die Binde wieder abnehmen
dürfen. Sie hat nach eigener Aussage keine Vorstellung, wie es Euch gelungen ist, die Thugs von
der Verfolgung abzubringen. Sie waren jedenfalls nicht mehr zu sehen.«
Mym zuckte wieder die Achseln.
»Hm, ich habe noch nie von einem Berserker gehört, der seine Mordwut zügeln kann«, erklärte der
Prinzipal. »Ganz offensichtlich seid Ihr kein Berserker, und Ihr wart bei diesem Ausflug nicht
einmal bewaffnet. Also muß ich wohl davon ausgehen, daß gerade ein Berserker an Ort und Stelle
war, der die Thugs abschlachtete und dann aufgrund eines tödlichen Stichs von einem der
Sterbenden selbst sein Leben aushauchte. So konnte er Euch dann nicht mehr nachsetzen. Aber das
ergibt wenig Sinn, denn es wurde keine weitere Leiche gefunden - außer, ein gut trainierter
Kriegsmann kam vorbei und hat den Strauchdieben den Garaus gemacht.«
Der Prinzipal war auf der richtigen Fährte. Myms Hand schob sich in die Innentasche, und der
kleine Finger stieß durch den Ring. Bin ich verloren? Der Ring drückte zweimal.
»Ihr könnt sehr gut mit Messern umgehen«, sagte der Prinzipal. »Allerdings habe ich Euch nur mit
Waffen jonglieren sehen. Man könnte daraus schließen, daß Ihr nie zuvor als Schausteller
aufgetreten seid, sondern vielmehr im Gebrauch von vielerlei Waffen ausgebildet wurdet. Ihr
versteht Euch in der Tat ganz ausgezeichnet auf Waffen. Und mir fällt nur eine Kaste ein, deren
Mitglieder eine solche Ausbildung erhalten, nämlich die Adligen.«
Mym ließ sich noch immer nichts anmerken.
»Und jetzt kommt Ihr zu mir und erklärt, Ihr könntet nicht vor einem Fürsten auftreten. Könnte es
sein, Ihr fürchtet Euch, von ihm wiedererkannt zu werden?«
Mym nickte.
»Nun, dann will ich Euch einmal den einen oder anderen Verkleidungstrick beibringen«, fuhr der
Prinzipal rasch fort. »Die beste Tarnung ist die, die der Zuschauer gar nicht erwartet. Das ist
schon das ganze Geheimnis meiner Trickkunst. Den Zuschauer in die Irre leiten, ihn auf eine
falsche Fährte locken. Der letzte Ort, an dem ein Adliger einen anderen Adligen vermuten würde,
der sich verstecken muß, ist eine Zirkusbühne, auf der eine Vorstellung für andere Adlige gegeben
wird. Deshalb rate ich Euch dringend an, mit uns gemeinsam vor dem Fürsten aufzutreten. Ich
garantiere Euch, daß Eure Tarnung absolut sicher ist.«
Mym schüttelte den Kopf.
»Ah, Ihr meint Euer Stottern«, erkannte der Prinzipal. »Na ja, im Grunde wäre Euer Sprachfehler
sicher verräterisch. Ich weiß nicht viel über den Adel hier. Wir Zirkusmenschen reisen viel
zuviel herum, um über alles auf dem laufenden zu bleiben. So habe ich noch nie etwas von einem
stotternden Fürstensohn gehört, aber daran kann auch meine übergroße Unkenntnis schuld sein. Hm,
wir könnten doch Eure Vorstellung mit einigen gesprochenen Worten anreichern... Ihr seid
geschminkt und tragt auch noch eine Maske, da kann niemand feststellen, ob Ihr Euren Mund bewegt
oder nicht... Ja, hinter der Bühne verstecken wir einen anderen Schauspieler, der an den
richtigen Stellen Euren Text spricht, so daß es für alle im Publikum so aussieht, als würdet Ihr
sprechen...«
Mym war jetzt erleichtert und überzeugt. Er ergriff die Hand des Prinzipals und schüttelte
sie.
»Obwohl ich nun wirklich keine Einzelheiten von dem wissen muß, was einen kleinen Schausteller
wie mich nicht zu interessieren hat«, sagte der Prinzipal leise, »so gibt es doch eine Person,
die nicht im unklaren gelassen werden
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