Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
unseren
Fürsten erheben. Doch Ihr könnt nichts an Eurer Rückkehr ins Königreich ändern.«
»Mym!« rief Orb erregt, als sie begriff, was gleich geschehen würde. »Sie tun doch nur ihre
Pflicht! Du mußt mit ihnen ziehen!«
Mym hielt inne. Sie hatte recht; und selbst, wenn sie nicht recht gehabt hätte, würde er sie
nicht einem Anblick wie dem aussetzen wollen, den er in wenigen Sekunden böte.
So wollte er sich nicht von ihr verabschieden.
Mym wandte den Kopf zur Seite und spuckte das Blut und den Speichel aus. Dann nahm er das Schwert
des Offiziers, drehte es um und reichte es ihm zurück. »Nur einen Moment, bitte«, erklärte er,
ohne zu stottern.
»Wie der Erhabene es wünscht«, antwortete der Hauptmann und steckte sein Schwert in die Scheide
zurück.
Mym wandte sich an Orb. »Ich werde zu dir zurückkehren«, sang er, »sobald ich meinen Vater davon
überzeugt habe, daß ich bei seinen Heiratsplänen nicht mitmachen werde. Bis dahin gebe ich dir
dies.« Er zog einen Ring aus einer Tasche, der wie eine Schlange geformt war.
»Was ist denn das?« fragte sie, während ihre Augen sich mit Tränen füllten.
»Ein Zauber, wie er nur einem König zukommt. Wenn du den Ring trägst, beantwortet er dir jede
Frage, indem er um deinen Finger drückt. Einmal drücken bedeutet ja, zweimal heißt nein, und
dreimaliges Drücken sagt dir, daß er dir die Frage so nicht beantworten kann; du mußt dir dann
eine andere Formulierung einfallen lassen. Außerdem kann er dich beschützen, wenn du ihn darum
bittest.«
»Mich schützen?« Mym zog den Ring über den kleine Finger. Zeig es, dachte er.
Die kleine Schlange erwachte zum Leben. Sie glitt in seine Handfläche und kroch von dort auf Orbs
Hand. Das Tier richtete den Kopf auf, stieß ein leises Zischen aus, rollte sich dann um einen
ihrer Finger und verwandelte sich wieder in starres Metall.
»Heißt das, sie kann beißen?« wunderte sich Orb.
»Ihr Biß ist tödlich«, antwortete er. »Doch sie tötet nur auf deinen Befehl hin. Sie ist eine
verläßliche Dienerin. Trage den Ring, und du bist sicher.«
»So lange, bis du zurückgekehrt bist«, sagte sie leise.
Er nickte. Dann nahm er sie in die Arme und küßte sie lange und innig. Etwas von seiner Schminke
klebte danach auf ihrem Gesicht, doch das kümmerte sie in diesem Augenblick nicht. Mym trat zu
dem Offizier. »Nun will ich mit Euch gehen«, sang er.
Sie brachten ihm ein edles Pferd, und er stieg auf.
Er drehte sich noch einmal um und winkte Orb und den anderen zu die so freundlich zu ihm gewesen
waren. Dann preschte er mit seiner Eskorte davon.
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3. Kapitel
Prinzessin
Der Radschah war älter, als Mym ihn in Erinnerung hatte. Er hatte den Radschah in seinem
ganzen Leben vielleicht ein Dutzend Male gesehen, und fast alle diese Begegnungen hatte in seiner
Kindheit stattgefunden, in der Zeit, bevor seine Mutter von dem Fluch befallen worden war, eine
Tochter zu gebären, und sie daraufhin vom König geschieden worden war, um vom Hof verbannt zu
werden. Von da an hatte Mym keinerlei Familienleben mehr erfahren. Er begriff jetzt, daß die
Sehnsucht danach ein wesentlicher Bestandteil dessen gewesen war, was er in Orb gesucht und
gefunden hatte: wahre, tiefe Liebe und das Gefühl, einem Menschen wirklich nahezustehen. Er nahm
sich fest vor, dieses gefundene Glück nicht wieder aufzugeben.
Dennoch bewegte ihn der Anblick seines Vaters zutiefst. Der Mann war nicht nur alt, er strahlte
über den körperlichen Verfall hinaus Größe aus.
Zwar trug er sein königliches Gewand mit den goldenen Stickereien und der Halskette aus leuchtend
roten Rubinen, doch sein Charisma hatte nichts mit seiner Kleidung zu tun. Der Radschah hätte
nackt dastehen können und würde immer noch Macht ausstrahlen. Sein Alter zeigte sich in der
gelblichen Haut und den eingefallenen Wangen. Offenbar hatte er seine Gesundheit mit
Zaubermitteln gestärkt, aber selbst der Magie waren Grenzen gesetzt; dieser Herrscher hatte
endgültig seinen Zenit überschritten. So verwunderte es nicht, wenn er sich Sorgen um die
Thronfolge machte.
»Es ist wichtig für den Thronfolger, einen Erben zu haben«, erklärte der König. »Du wirst dich
mit einer Prinzessin aus dem Königshaus von Maharaschtra verloben, eine Verbindung von einiger
politischer Wichtigkeit. Unsere beiden Häuser stehen bereits in Verhandlung über die
Mitgift.«
»Erhabener, ich werde mich nicht verloben«, sang Mym.
Der Radschah sah ihn an, und nur ein
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