Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
Hauch der Verblüffung huschte über seine Miene. »Also ist es
wahr. Die Maid hat dir also eine andere Art der Sprache beigebracht. Eine deutliche Besserung,
wie ich zugestehen muß, wenn auch noch nicht die wünschenswerte Form erreicht ist.«
»Die Maid«, sang Mym mit zusammengepreßten Zähnen, »ist die einzige Frau, die ich heiraten
werde.«
Der Radschah runzelte die Stirn. »Erfülle bei der Prinzessin deine Pflicht, und nach einem
angemessenen Zeitraum magst du die Maid als Konkubine nehmen.«
Mym spuckte auf den Boden.
Einige Höflinge sprangen erregt auf, und einer aus der königlichen Leibwache zückte sogar sein
Schwert. Doch der Radschah ließ sich nichts anmerken. Er machte nur eine leichte Handbewegung,
und damit durfte sein Sohn sich zurückziehen.
Mym verbeugte sich und trat rückwärts zur Tür.
Das erste Wiedersehen mit seinem Vater war nicht besonders angenehm verlaufen.
Mym wurde in einem hübschen Palast am Stadtrand von Ahmedabad unter Hausarrest gestellt.
Natürlich wurde er nicht gefoltert oder ins Gefängnis geworfen - schließlich war er der
Thronfolger. Doch man konnte ihm die Freiheit nehmen. Mym wußte, daß man ihm in dem Augenblick
erlauben würde, den Palast zu verlassen, in dem er in die Heiratspläne seines Vaters einwilligte.
Doch er weigerte sich entschieden, seine Einwilligung zu geben. Denn das Wort eines Fürsten war
unverbrüchlich und wurde nie unaufrichtig oder leichtfertig gegeben.
So verlebte Mym seinen Trotz in allem Komfort, bei den erlesensten Speisen, den phänomenalsten
Unterhaltern und Schaustellern und allem sonstigen Zeitvertreib, nach dem es ihn gerade
gelüstete.
Nach zwei Wochen der luxuriösen Gefangenschaft unternahm er einen Fluchtversuch. Der Versuch
schlug fehl, und er hatte es auch gar nicht anders erwartet; eigentlich wollte er damit nur
herausfinden, wie gut er bewacht wurde. In der Vergangenheit hatte der Vater sich wenig darum
geschert, wo sein zweiter Sohn sich gerade aufhalten mochte. Jetzt interessierte sich der
Radschah sehr dafür. Mym erkannte, daß jeder weitere Fluchtversuch sinnlos war.
Nach dem ersten Monat erschien ein Unterhändler des Radschahs bei Mym, um die entscheidende Frage
zu stellen: Wollte der Prinz jetzt in die Verlobung einwilligen? Mym spuckte wieder auf den
Boden, und der Unterhändler zog sich zurück.
Doch dem Willen eines Radschah konnte man sich auf Dauer nicht entziehen. Zwei Tage nach dem
Besuch des Unterhändlers wurde dem Prinzen eine atemberaubend schöne Konkubine zugeführt. Ihr
langes Haar leuchtete dunkelblau wie die Nacht, und darin funkelten Perlen wie Sterne. »Der
Radschah hat mir gesagt, ich solle mich Euch hingeben.«
»All Eure Mühe ist vergebens«, sang Mym.
Die Miene der Schönen wurde starr. Palastwächter eilten herbei und führten die Konkubine
fort.
Eine Stunde später trat der Hauptmann der Palastwache vor Mym. »Erhabener Prinz, der Radschah
möchte, daß Ihr einen Blick auf unser Werk werft.«
Neugierig folgte Mym dem Offizier zum Vordertor des Palasts. Vor dem Tor hatte man einen langen
Speer in den Boden gerammt. Auf der Spitze thronte der abgeschlagene Kopf der Konkubine.
Die Perlen in ihrem Haar funkelten in der Nacht.
Nach dem zweiten Monat erschien eine neue Konkubine im Palast. Sie war eine Schönheit aus den
Nordlanden. Sie hatte klare blaue Augen und Haare wie feingewobenes Silber, die von Goldfäden
durchwirkt waren. »Der Radschah hat mir gesagt, ich solle mich Euch hingeben«, sagte sie.
Mym zögerte. Er begriff, daß sein Vater ein Spiel mit ihm trieb, in dem er alle seine Überredungskünste aufbot, um den Widerstand seines Sohnes zu brechen. Und Mym erkannte,
daß seine Sturheit zu nichts anderem als einer Reihe von Spießen mit abgeschlagenen Frauenköpfen
führen würde. Schlimmer noch, der Radschah könnte eines Tages Orb ergreifen lassen und ihr
abgeschlagenes Haupt in derselben Weise ausstellen.
»Bleibt«, erklärte er daher der Konkubine. »Ich lasse Euch rufen, sobald ich Eurer bedarf.«
Das reichte zumindest für den Augenblick. Doch als eine Woche vergangen war, ohne daß er nach ihr
geschickt hatte, steckte der Kopf der zweiten Konkubine am achten Tag neben dem der ersten auf
einem Spieß.
Nach dem dritten Monat kam eine neue Konkubine. Ihr Haar hatte das Feuer von hochpoliertem Kupfer
und wurde von Zierkämmen aus grüner Jade zusammengehalten, deren Farbe sich in den Augen der
Schönen widerspiegelte.
Mym schloß die Augen. Verzeih
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