Inkarnationen 04 - Das Schwert in meiner Hand - V3
Göttin des Schicksals.«
»Der Name sagt mir nichts.«
Mym lächelte. »Es scheint in der Tat einige Parallelen zwischen der abendländischen und unserer
Mythologie zu geben. Ich kenne Euch bereits.«
»Ich bin allerdings nur ein Aspekt der Schicksalsgöttin«, erklärte Lachesis.
Ihre Erscheinung verging und machte erst einer jungen Orientalin und dann einer alten Negerin
Platz. Dann zeigte sie sich wieder in ihrer ursprünglichen Gestalt.
»Nun, Lakschmi versteht sich auch darauf, ihr Aussehen zu verändern, denn sie ist mit Wischnu
verheiratet und paßt sich dessen Erscheinungsformen auf ihre Weise an. Wenn sie aber nur mit zwei
statt mit vier Armen auftritt, ist sie die schönste aller Frauen.«
Die wunderbare Orientalin zeigte sich wieder und lächelte verlegen.
Dann kehrte die erste Lachesis mit säuerlicher Miene zurück. »Schluß jetzt damit! Wir sind hier
als Inkarnation des Schicksals, uns steht einige Arbeit bevor. Unsere Fäden bestimmen die
Lebensspanne der Menschen.«
»Die Leben dieser Knaben werden noch in dieser Stunde vergehen«, bemerkte der Prinz. »Niemand
kann jetzt noch über sie bestimmen.«
»Alle Menschenleben werden vom Schicksal regiert«, widersprach Lachesis. »Und ich allein bestimme
darüber, bin unabhängig wie die Flut.«
Die Flut - Mym erinnerte sich an etwas. »Wasser!« entfuhr es ihm.
»Wie?«
»Im Buch von den Fünf Ringen basiert eine der fünf Hauptstrategien auf dem Wasser. Wir
fünf Hauptinkarnationen, ich rechne das Gute und das Böse nicht mit, sind vielleicht ähnlich
organisiert. Der Krieg ist das Feuer. Und das Schicksal ist das Wasser.«
»Schon möglich«, brummte Lachesis. »Wir wollen uns ein anderes Mal über philosophische Fragen
unterhalten. Im Augenblick brennt mir etwas anderes unter den Nägeln. Was treibt Ihr hier?«
Der Prinz war ein wenig verblüfft. »Ich versuche, hier eine Schlacht zu überwachen«, antwortete
er.
»Eine Schlacht, in der Kinder massenhaft in den Tod geschickt werden?«
»Jede Kriegspartei muß sich der Ressourcen bedienen, die ihr zur Verfügung stehen«, sang er und
fühlte sich ein wenig unbehaglich. »Mir gefällt das keineswegs, aber es scheint wohl keine andere
Möglichkeit zu geben.«
»Es schert mich wenig, welche Möglichkeiten in dieser Schlacht offenstehen und welche nicht«,
erklärte sie ernst. Die Bitterkeit in ihrer Miene saß tief und täuschte fast darüber hinweg, daß
sie zu einer anderen Zeit eine sehr attraktive Frau gewesen sein mußte. »Ihr setzt Kinder im
Krieg ein. Ich muß Euch als Inkarnation natürlich zugestehen, daß Ihr über einige Privilegien
verfügt, doch dies hier kann ich nicht mehr gutheißen.«
»Dann erklärt mir doch, Schicksal, was Ihr damit zu schaffen habt«, gab der Prinz schärfer
zurück, als er das vorgehabt hatte. Lachesis' Worte setzten ihm sehr zu.
»Meine Aufgabe besteht darin«, begann sie schroff, »mit den Lebensfäden zu arbeiten. Von uns
dreien spinnt eine die Fäden, mißt die zweite ihre Länge ab, und ich durchtrenne sie schließlich.
Doch nun kommt Ihr und schickt Kinder in eine selbstmörderische Schlacht. Damit bringt Ihr unsere
ganze Arbeit durcheinander. Ich weigere mich, still in meiner Kammer zu hocken und zuzusehen, wie
Ihr Fäden abschneidet, die noch gar nicht dafür vorgesehen sind.«
Irgend etwas an Lachesis kam Mym bekannt vor, doch er wußte nicht, was. »Meine Aufgabe ist der
Krieg, und im Krieg gibt es Soldaten, die fallen.«
»Meine Aufgabe ist das Leben, und hier spielen Kinder Soldaten!«
»Warum habt Ihr Euch dann nicht schon viel früher um diese Kinder gekümmert?« gab er barsch
zurück. »Dieser Krieg mit all seinen unschönen Seiten ist mir von meinem Vorgänger vermacht
worden. Mir gefällt der Einsatz der Kinder ganz gewiß nicht, aber die Situation ist nicht zu
ändern, ich muß mich gemäß meinem Amt darum kümmern. Ich habe keine andere Möglichkeit, als diese
Schlacht rasch zu Ende zu bringen und die Überlebenden mit Ruhm und Ehre nach Hause zu
schicken.«
»Ruhm und Ehre!« schimpfte Lachesis. »Welcher Ruhm läßt sich bei einem sinnlosen Blutbad
gewinnen?«
»Ich bin hier in den Geist eines Jungen eingedrungen und habe erfahren, daß ihm nur diese
Möglichkeit offensteht, sich selbst zu versorgen und seiner Mutter Unterstützung zu gewähren«,
antwortete der Prinz. »Ihm bleibt kein anderer Ausweg, als seinem Land als Soldat zu dienen. Ich
bedaure diese Entwicklung zutiefst, aber selbst wenn ich diese
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