Inkarnationen 05 - Sing ein Lied fuer Satan - V3
ausruhen!« mahnte Jezebel. »Zu dumm, daß bei deinem Treffen mit
Chronos nicht mehr herausgekommen ist. Du solltest jetzt besser deine Kräfte sparen. Es nutzt
überhaupt nichts, wenn du immerzu durch die Weltgeschichte reist.«
»Chronos? Ich habe ihn gar nicht getroffen!«
»Aber du hast doch gesagt...«
Orb blickte sie streng an. »Hat es eine neue Vision, ein neues Trugbild gegeben?«
»Dämonen träumen nicht und lassen sich daher von so etwas nicht beeinflussen«, erklärte der
Succubus. »Und ich kann mich deutlich an das erinnern, was du vor einer halben Stunde gesagt
hast.«
»Vor einer halben Stunde habe ich eine Meerjungfrau in Indien übers Land getragen, um sie in
Sicherheit zu bringen. Und ich bin mir sicher, währenddessen niemandem begegnet zu sein.«
»Das Tosen und Beben wird schlimmer«, verkündete der Gitarrist, der gerade die Küche
betrat.
»Überall wüten Stürme«, erklärte Orb. »Ich fürchte mich davor, das Lied des Chaos ein drittes Mal
zu singen. Wie geht es denn Lou-Mae?«
»Sie schläft«, antwortete Jezebel. »Ich glaube, Jonas positive Kräfte wirken auf sie ein. Aber
sie wird nicht glücklich sein, wenn sie aufwacht und die Erinnerung zurückkehrt.«
»Hätte ich doch nur niemals dieses dumme Lied gesungen!« rief Orb.
»Ich schätze, Satan hatte da seine Hand im Spiel. Er hat dich dazu verleitet, das Lied zu singen.
Schließlich konnte er sich ja denken, wie verletzt und wütend du sein würdest, sobald er dir die
Wahrheit aufgetischt hätte. Der Teufel reibt sich im Moment sicher die Hände. Millionen von
Seelen strömen jetzt sicher in die Hölle.«
»Verdammt, verdammt, verdammt!« Orb erkannte, daß Jezebel vermutlich recht hatte.
»Es heißt doch, daß Satan jede neue Inkarnation mit einer ausgetüftelten Schurkerei
konfrontiert«, fuhr die Dämonin fort. »Dir hat er das Lied des Chaos beigebracht und dir dabei
aufgetragen, es unter gar keinen Umständen jemals zu singen. Dadurch aber, daß er dich so
verletzt hat, war ihm klar, daß du...«
Orb wollte kein Wort mehr hören und reiste nach Irland.
Der Sumpf war eine einzige Ödnis aus Schlamm.
Vereinzelt ragten Äste von untergegangenen Bäumen aus der Masse.
Orb stand im brüllenden Wind und weinte. Sie wünschte von ganzem Herzen, etwas gegen dieses
Desaster tun zu können, und wußte doch, daß ihr die Hände gebunden waren. Niemand konnte ihr
helfen. Sie war die Inkarnation der Natur, und sie hatte das Unheil heraufbeschworen.
Sie blätterte um zu Betsys Farm.
Das Haus war fortgeweht worden. Der Hurrikan tobte so sehr, daß man kaum weiter als zwanzig Meter
sehen konnte. Orb sah sich gründlich um, bis sie traurige Gewißheit erlangte.
Sie versetzte sich in den Keller. Der Organist, Betsy und ihre Familie waren verschwunden. Orb
mußte für sie das Schlimmste befürchten.
Plötzlich hörte sie ein Brüllen. Sie spähte umher, bis sie einen Tornado entdeckte, der über das
Land stürmte. Er riß alles um sich, was ihm in die Quere kam.
Orb machte zu ihrer Linken zwei weitere Tornados aus, und auf der anderen Seite waren es noch
mehr. Sie schwankten vor und zurück, und einer lag so tief, daß er eine breite Furche in den
Boden wühlte.
Auf der Erde war die Hölle ausgebrochen.
Orb kehrte in den Wal zurück. »Die Farm ist zerstört«, verkündete sie traurig. In ihr herrschte
nur noch Leere. Der Verlust der Freunde berührte sie kaum noch.
Dann erkannte Orb mit unerwarteter Klarheit, daß ihr nur noch eines zu tun übrigblieb. Die Flut
war vergangen, dafür war der Sturm gekommen. Sie mußte das Lied ein drittes Mal singen, auch wenn
es eine neue Katastrophe heraufbeschwören sollte.
Sie holte die Harfe aus ihrem Zimmer und sang.
Doch dieses mal trug sie rein intuitiv eine Variante der Originalmelodie vor, denn sie sagte
sich, daß eine simple Wiederholung des Lieds nur ein weiteres Desaster auslösen würde. Aber
vielleicht bewirkte eine Variation Abhilfe.
Wie zuvor spürte sie die gigantische Kraft des Liedes. Nachdem sie es gesungen hatte, begann sie
wieder herumzureisen.
Die Stürme ließen nach. Durfte sie hoffen...?
Ihr fielen Jezebels seltsame Worte über die Begegnung mit Chronos wieder ein. Was hatten sie zu
bedeuten? Orb begab sich nach Fegefeuer.
Jetzt wollte sie ihn aufsuchen, nicht länger auf sein Erscheinen warten.
Eine junge Frau öffnete die Tür der Residenz. »Der hohe Herr ist nicht zugegen«, erklärte
sie.
»Dann warte ich auf ihn«, erklärte Orb grimmig und schob sich
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