Inkarnationen
die Innere Halle.
Salvat sah zu ihm hinab. Bruder Banshees roter Schopf leuchtete fast in der Menge der Versammelten.
»Was hier geschehen wird -«, Banshee stockte, »- es wird dein Leben kosten, nicht wahr?«
Salvat nickte mühsam. Nicht, weil ihm die Bewegung als solche schwerfiel, sondern allein ihrer Bedeutung wegen.
»Es gibt keinen anderen Weg«, antwortete er gepreßt.
»Es muß einen geben!« schrie der irischstämmige Illuminate.
»Tut endlich, was ich euch befohlen habe!«
Salvats Stimme schlug selbst Banshees Organ um Längen. Und etwas darin brach allen Widerstand und alles Sträuben.
Energien begannen zu fließen. Erst kriechend, dann steter. Sie erreichten Salvat und drangen in ihn. Doch sein Leib war ihnen nur Transmitter. Sie verließen ihn und flossen in das monströse Geflecht, das ihn am Tor hielt wie hingenagelt. Es wurde zum Aderwerk für die gesammelte Kraft der Illuminati. Ihre gemeinsame Konzentration war das Herz, das die Energien vorwärtspumpte, durch die Adern, hinein ins Tor .
Irgendwann würde es gesättigt sein.
Und dann würde Salvat selbst das letzte, allmächtige Siegel abgeben.
Bis dahin jedoch würde noch eine Weile vergehen .
Salvats Gedanken schweiften ab. Weit ab. Weit -
- zurück...
Jahrhunderte bedeuteten Salvat, was einem Menschen das Gestern war. Doch seine Gedanken eilten weiter, bis hin in eine Zeit, die kurz hinter den Anfängen allen Lebens lag .
3. Der Sturz des Engels
Wir wandelten mitten unter ihnen, doch kaum ein Mensch war je eines der unseren ansichtig geworden. Und wenn es doch geschah -selten genug und nur, wenn uns kein anderer Weg mehr blieb -, dann wurde diesen wenigen Männern und Frauen alles nur Denkbare nachgesagt; allein rechten Glauben wollte ihnen niemand schenken. Für weltferne Phantasten hielt man jene, denen wir uns offenbart hatten, wenn sie es nur wagten, von diesen gleichsam ungeheuerlichen wie im wörtlichen Sinne wunderbaren Begegnungen zu erzählen.
Uns selbst kam dieser Zweifel seitens der Menschheit ganz zupaß. Denn es wäre unserer Aufgabe gewiß nicht zuträglich gewesen, hätte alle Welt unser Dasein und Wesen als gegeben und selbstverständlich angenommen. Der Mensch hätte aus solcher Gewißheit unweigerlich - so ist es nun einmal seine Art - eine bequeme Verläßlichkeit abgeleitet und sich ganz und gar in unsere Hand gegeben. Eben dies entsprach aber nicht unserem Auftrag, der Sein Wille war.
Wir waren einzig beobachtende Wächter, zumeist jedenfalls. Zu handeln stand nur auf unserem Plan, wenn ärgstes Übel drohte, wenn Seine Schöpfung selbst bedroht war. Aber auch solche Gefahren sollten, wollten und konnten wir nicht schlicht abwenden oder gar ungeschehen machen, sondern allenfalls in gemäßigtere Bahnen leiten, auf daß die Menschen der Bedrohung letztlich aus eigener Kraft und freiem Willen Herr wurden.
Nur in ganz wenigen Fällen griff der eine oder andere aus unserer Schar aus geringerem Anlaß ein und stand einem einzelnen Menschen bei. Nicht alle der unseren hießen solche Eigenmacht gut. Aber letztlich stimmten wir doch darin überein, daß solches Handeln vor allem auch einem Zwecke diente: Der Mensch erinnerte sich seines Glaubens, wurde sich jener Macht bewußt, auf die er, ob-schon sie ihm unbegreiflich war, vertrauen durfte. Eines indes durften wir uns nie anmaßen, und wir mußten uns hüten, auch nur den Eindruck zu erwecken:
Niemals sollte der Mensch in uns Ihn selbst sehen!
Wir waren allein Seine Boten; von Ihm gesetzte und hinterlassene Zeichen, vage Echos Seiner Präsenz.
Unsere Macht war gottgegeben, doch weder war sie göttlich noch gar gottgleich.
Dessen sollten wir uns auf ewig erinnern.
Gott mochte Seine Schöpfung verlassen haben. Aber Er hatte die Menschen und ihre Welt nicht allein gelassen.
Beider Geschicke hatte Er in gute Hände gelegt.
Glaubte Er .
*
Monte Cargano, heute
Enya wußte, was sie zu tun hatte.
Niemand hatte bemerkt, daß sie heimliche Zeugin der Ereignisse in der Inneren Halle geworden war. Die Präsenz jener Macht hinter dem Tor hatte längst jeden Quadratzoll innerhalb der Mauern solcherart vergiftet, daß Enyas Andersartigkeit darin unterging und mithin unbemerkt blieb.
Was Salvat nun plante, konnte ihrem Herrn alles verderben. Konnte das Schicksal der Welt noch ändern.
Es war an ihr, etwas dagegen zu unternehmen. Und Enya kannte sich in Monte Cargano gut genug aus, um ein geeignetes Mittel dafür zu finden.
Ungehindert konnte sie jenen Raum des
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