Inkasso Mosel
das Blaulicht.
»Mach’ das Verdeck zu«, rief Walde.
»Aber das ist doch nicht magnetisch, wie soll das Ding denn halten? Außerdem hat es Tote gegeben.«
Walde schwang seine Beine wieder zurück, griff nach dem blitzenden Glas und hielt es mit ausgestrecktem Arm fluchend in die Höhe: »Schöne Scheiße!«
Eine Weile rangierte Gabi durch den Stau bis zur Uferstraße, wo sie sich an drei im Konvoi vorankämpfende Wagen der Berufsfeuerwehr hängen konnte.
»Was ist los?«, fragte Walde. Sie waren auf der Kaiser-Wilhelm-Brücke angelangt. Hier war eine Gasse für die Rettungsfahrzeuge freigemacht worden. Kaum ein Autofahrer befand sich noch in seinem Fahrzeug. Einige standen in Gruppen zusammen, andere schauten vom Geländer aus auf die tief unten fließende Mosel.
»Olga«, Gabi sagte diesen Namen, mit dem sich für Walde nur eine Person verband.
»Was ist mit ihr?«
»Weiß ich selbst nicht genau. Jedenfalls ist ein Bananenbomber aus Spanien die ›Bitburger‹ runtergesaust.«
»Ist doch für Lkw gesperrt.«
»War dem aber scheinbar egal, bis ihm dann auf der steilen Abfahrt die Bremsen heiß liefen und er die Kurve nicht mehr gekriegt hat. Er soll den Parkplatz an der Villa Kestenberg abgeräumt haben, inklusive Olgas Mobil.«
»Olgas Wohnwagen?«
»Du weißt doch, das Wohnmobil mit dem roten Lämpchen auf dem Parkplatz hinter der FH. Da soll der Bananenbomber auf seiner Schussfahrt reingerauscht sein.«
Hinter der Brücke kamen die Feuerwehrwagen auf den ersten hundert Metern in der schmalen Gasse zwischen dem Staugetümmel nur im Schritttempo voran. Als sie die Kurve an der Napoleonsbrücke hinter sich gelassen hatten, fädelte sich Gabi auf der verwaisten Busspur ein und beschleunigte nun hinter den bergan sausenden Feuerwehrwagen.
In der Kurve an der Villa Kestenberg herrschte totales Chaos. Hier wimmelte es von Fahrzeugen und Menschen, die hin und her eilten. Die Kollegen von der Schupo hatten es geschafft, alle drei Spuren komplett vom übrigen Verkehr freizumachen.
Links waren die doppelt übereinander verschraubten Leitplanken eingedellt, rechts, im Scheitel der 180-Grad-Kurve, lagen sie platt am Boden, als wäre eine riesige Dampfwalze darüber hinweggerollt.
Walde kannte den kleinen Parkplatz, der sich dahinter befand. Von dort starteten tagsüber viele Jogger in den Stadtwald. Nach der Dämmerung übernahm Olga das Revier. In ihrem schummrig beleuchteten Wohnmobil – manchmal war es nur eine Kerze, um die Batterie zu schonen – empfing sie allabendlich ihre Kundschaft. Aus den Anfängen in einem Wohnwagen, dessen Scheiben immer wieder von bigotten Gegnern zerschlagen wurden, hatte sich Olga in ein Wohnmobil hochgearbeitet, das sie zu den üblichen Stoßzeiten hier platzierte.
Diesmal bot sich ein ganz anderes Szenario. Gabi fuhr an einem Durcheinander aus Feuerwehr-, Kranken- und Streifenwagen entlang und fand erst weit hinter den Wagen der Feuerwehr, denen sie gefolgt war, einen Platz zum Anhalten.
*
Hier oben schien das Zentrum der Nebelglocke zu sein, die schon den ganzen Tag über der Stadt hing. Walde und Gabi kamen an hilflosen Polizisten vorbei, die den Versuch, für Ordnung zu sorgen, aufgegeben hatten.
»Schöne Scheiße.« Gabi stakste durch ein Gewirr aus Feuerwehrschläuchen, Kabeln und diversen Rettungsgeräten. Sie näherten sich einer Batterie von Scheinwerfern, die auf den Wald neben dem Parkplatz gerichtet war. Die Äste der Nadelhölzer warfen Schatten auf die dahinter stehenden Stämme. Im unteren Bereich rankten sich silbrig reflektierende Blätter, die von Schlinggewächsen stammten. Ein Geländewagen mit verbeultem Kotflügel stand mit zum Wald hin gerichteter Schnauze, als wolle er das Treiben beobachten, das sich dort abspielte. Der Nebel mischte sich mit Dieselgeruch.
Als Walde näher kam, sah er im Gegenlicht Aluminiumleitern schimmern, über denen sich in der Höhe halbrunde Konturen abzeichneten. Die Szenerie war so unwirklich, dass er eine Weile brauchte, bis er verstand, dass dort oben Räder waren und die Leitern an den Unterboden eines umgestürzten Sattelschleppers gelehnt waren.
Unter seinen Schuhen knirschte Glas. Er hatte den geteerten Bereich des Parkplatzes verlassen. Auf der weichen, mit Tannennadeln bedeckten Erde glitzerten Glassplitter, die kleinere Inseln bildeten. Vor ihm ertönte plötzlich ein markdurchdringendes Geräusch, das eine spontane Fluchtreaktion in ihm auslöste. Er hielt sich die Ohren zu und sah, wie Gabi unbeirrt
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