Inkasso Mosel
aufgefallen zu sein, die seine beiden Besucher zierten.
Urplötzlich drehten sich Roths Augen nach innen. Er schielte wie dieser Stummfilmheld, jetzt fiel Walde auch der Name ein, Ben Turpin, der schielende Komiker, den selbst Charlie Chaplin bewundert hatte.
Roth nahm aus dem übervollen Köcher auf dem Tisch eine Schere und schnitt einen ihn offensichtlich störenden Zipfel des Schnurrbarts ab.
»Wie man hört, ist es mit der Zahlungsmoral auch nicht mehr so bestellt wie früher«, versuchte Grabbe das Gespräch in Gang zu halten.
»Davon kann ich ein Lied singen. Bei maximal fünf Prozent Gewinnspanne reicht ein faules Ei unter zwanzig Kunden, um einem das Geschäft zu vermiesen«, antwortete Roth. »Im Schnitt gehen schon achtzig Prozent für Papier und Farben drauf.« Roth fuhr wie ein Dirigent mit der Schere durch die Luft. »Dann kommen die Kosten für Maschinen, Personal, Gebäude, Versicherungen, Berufsgenossenschaft und all die teuren Kleinigkeiten, die dazu gehören. Hinzu kommt Verarbeitung außer Haus, Kaschieren, Falzen, Binden, dann das Finanzamt, die Banken …«
»… womit wir beim Thema wären«, unterbrach Grabbe das Klagelied. »Wir sind in einer Wirtschaftssache hier. Es geht um ein Inkassounternehmen, das auch für Ihre Druckerei arbeitet.«
»Um Rechnungen kümmere ich mich nicht«, Roths Eifer war schlagartig versiegt.
»Wer macht Ihre Buchhaltung?«
»Meine Frau«, antwortete Roth. »Aber die ist nicht da.«
»Wann kommt sie wieder?«
»Die ist einkaufen, das kann dauern.«
»Wir melden uns wieder«, Grabbe wandte sich zum Gehen. »Bemühen Sie sich nicht, wir finden den Weg.«
Walde folgte seinem Kollegen die Treppe hinunter. Im Parterre hielt Grabbe neben der Glaswand inne. »Ich würde gerne mal sehen, was der Maschinenpark von Rothdruck zu bieten hat.«
Die Tür zur Druckhalle stand offen. Sie kamen in einen Raum, in dem es nach Orangen roch.
»Dieser Duft ist den Druckfarben beigemischt, damit es gesünder riecht«, sagte Grabbe. »Ich hatte in den Ferien einen Job in der Druckerei der Zigarettenfabrik Farmers und einiges gelernt von Schön- und Widerdruck bis zu den Schusterjungen und Hurenkindern.«
»Aha«, Walde verstand kein Wort und zeigte auf die Maschinen. »Und das hier?«
»Gut gepflegt, aber alles alter, teilweise museumsreifer Plunder«, urteilte Grabbe. »Keine Vierfarb-Maschine, zu kleine Formate, nicht mehr wettbewerbsfähig.«
Sie gingen zurück und trafen Roth an, der sich vor der Tür aufgebaut hatte. »Darf ich fragen, was Sie da machen?«
»Wir haben uns Ihre Maschinen angesehen.« Grabbe wirkte erstaunlich gelassen. Er nahm ein Prospekt aus einem der Regale. »Dieses Format können Sie mit den Maschinen«, er deutete mit dem Daumen hinter sich, »überhaupt nicht drucken.«
»Vor Ihrer nächsten Betriebsbesichtigung möchte ich gefragt werden!«, forderte Roth die beiden Männer auf.
»Wissen Ihre Kunden, dass Rothdruck überhaupt nicht imstande ist, derart große Formate, wie sie in Ihrem Werbekasten präsentiert werden, auszuführen?« Grabbe überhörte Roths feindseligen Ton. »Lassen Sie mich raten.« Er legte die Stirn in Falten und blätterte die Broschüre am Daumen entlang. »Das wurde auf der Rolle in Luxemburg gefertigt.«
»Ich kann drucken, wo ich will!«
»Ihre Kunden auch!« Grabbe hielt dem Druckereibesitzer eine Visitenkarte vor die Nase. »Rufen Sie mich an, wenn Ihre Frau wieder da ist. Sie wissen ja meinen Namen. Grabbe wie das Meerestier, das kräftig pieksen kann, wenn es gereizt wird.«
Roth riss ihm das Papier aus der Hand und schaute den beiden Besuchern mit aufgeblähten Nasenflügeln nach.
*
Auf der Rückfahrt fragte Walde seinen Kollegen: »Wie stehts eigentlich um deine Luxemburger Bewerbung?«
»Finanziell ist der Job sehr verlockend, aber den Banken geht es längst nicht mehr so gut wie früher. Irgendwann ist auch dort das Steuerschlupfloch geschlossen und dann werden als erste die Deutschen entlassen.«
»Und was wirst du tun?«
»Erst mal nichts.« Grabbes Gesichtszüge hellten sich auf. »Wenigstens weiß ich jetzt, dass es auch woanders noch Jobs für mich gibt.«
Walde dachte über Grabbes ungewohnt forsches Auftreten in der Druckerei nach. Als habe er seine Gedanken gelesen, sagte der: »Und der Fall Harras, den Gabi und ich im Alleingang gelöst haben, hat mir ebenfalls neue Motivation gegeben.«
»Ist mir da etwas entgangen?«
»Am Montag kriegen wir die Ergebnisse der Tests, dann machen wir den
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