Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
Vom Netzwerk:
stand mitten im Raum und sah sich um. Er sah die Stahlöse oben an der Decke, die Schlinge aus Eisendraht, den grünen Resopaltisch mit den Metallbeinen – von denen eins abgesägt war – und die nackte und enthauptete Leiche des Opfers, das auf einen Stuhl gefesselt war. Er registrierte, dass die Ränder von Haut und Gewebe an dem Halsstumpf im Rumpf unregelmäßig ausgerissen waren. Er nahm den süßlich-metallischen Geruch von gerinnendem Blut wahr. Schwarzes Blut. Und er atmete beißenden Uringestank ein.
    Auf einer großen Servierplatte, die im Bücherregal neben dem Foto einer fetten Frau in Köchinnenkleidung stand, zählte er drei Birnen, vier Bananen, sieben Pflaumen, fünf Aprikosen und zwei matschige Feigen vom September.
    Der Kopf des Opfers lag dort in der Mitte der Platte.
    Im Mund steckte ein grüner Apfel.
    Die Lippen waren nicht zugenäht.
    In den Augenhöhlen waren zwei große, vollreife Kirschen, die ihren tiefroten Glanz verloren hatten.
    Amaldi trat an das Bücherregal.
    Zwei Augäpfel, an denen schlaffe Nervenstränge hingen, lagen zu beiden Seiten einer Feige und starrten ihn an.
    Er beugte sich hinunter, um das Foto der Köchin aus der Nähe zu betrachten. Sie lachte mit weit geöffnetem Mund.
    Er hoffte, dass sie vor ihrem Sohn gestorben war.

XX
    Der Gerichtsmediziner war blass und die dicken Brillengläser betonten die Müdigkeit in seinen Augen zusätzlich. Es war immer noch Nacht. Auf dem Stahltisch unter dem gewachsten, weißen Tuch konnten Amaldi und Frese die Umrisse der Leiche des dritten Opfers erahnen: die Füße, die Beine, den Bauch, den Brustkorb. Dort, wo eigentlich der Kopf hätte sein müssen, wölbte sich das Tuch nicht, sondern lag unnatürlich flach auf dem Metall auf. Der Obduktionssaal war erfüllt von dem starken Geruch nach Desinfektionsmitteln, der jedoch nicht den Eisengeruch des Todes überdecken konnte.
    »Er hat einen besonderen Draht benutzt«, erklärte der Pathologe. »Bei den anderen handelte es sich um eine ganz gewöhnliche Wäscheleine mit einem Drahtkern … deren Plastikummantelung er teilweise entfernt hatte. Diesmal hat er einen Spezialdraht verwendet, mit dem man Außenmauern schützt … vor allem an einigen Gefängnissen. Der ist eigens geschärft, durch eine besondere Verarbeitung wird der Querschnitt nicht rund, sondern oval. So hat er praktisch auf beiden Seiten eine Schnittfläche. …«
    »Auf diese Weise könnten wir vielleicht den Käufer ermitteln«, meinte Amaldi.
    »Torrisi arbeitet bereits daran …«, erwiderte Frese.
    »Gut …«
    »Aber das ist noch nicht alles«, fuhr der Gerichtsmediziner fort. »Der Mörder hat das Tischbein in einer bestimmten Absicht durchgesägt … Sie haben das Ganze vor Augen, nicht? Das Opfer an den Stuhl gefesselt, der Stuhl auf dem Tisch, die Schlinge oben an der Decke festgemacht …«
    Amaldi nickte.
    »Also, das Ganze war wohl so gedacht: Sobald erst einmal das Bein abgesägt war, sollte der Tisch sich neigen, wodurch der Stuhl ins Rutschen geriet und den Körper nach unten riss. Daraufhin sollte sich die Schlinge zuziehen und das Opfer würde enthauptet«, erklärte der Arzt weiter. »Aber es ist nicht wie geplant abgelaufen. Der Eisendraht grub sich zwar ins Fleisch, doch nicht kräftig genug, um den Kopf abzutrennen … Der Schnitt ist nicht glatt. Die Wunden … Haut und Gewebe sind ausgefranst. Die Wirbel wurden nicht von dem Eisendraht durchtrennt. Meinem ersten Eindruck nach … hat der Mörder sich an das Opfer gehängt, hat es nach unten ziehen müssen …«
    »Verdammt …«, war Freses Kommentar.
    »Er hat die Stuhlbeine gepackt und daran gezerrt, was den Eisendraht ruckweise in die Haut getrieben hat. Deshalb sind die Wundränder so ausgefranst. Dann hat er die Wirbel mit einem scharfen Gegenstand durchtrennt … vermutlich mit einem Messer. Ich habe mir das kurz unter dem Mikroskop angesehen, auf den Wirbeln befinden sich ausgezackte Grate … besonders auf dem Knochen, der im Körper verblieben ist … Ich würde sagen, er hat dafür ein Jagdmesser mit einer gezackten Klinge benutzt.« Der Arzt nahm die Brille ab. »Es muss ein schrecklicher Tod gewesen sein. Unglaublich langsam ….«
    »Haben Sie Schlüsse daraus gezogen?«, fragte Amaldi.
    »Ich glaube nicht, dass er absichtlich grausam gegen ihn verfuhr«, erklärte der Pathologe. »Er hat sich wohl nur verrechnet. Der Mörder macht meiner Meinung nach nicht den Eindruck eines Sadisten, wie er im Buche steht …«
    »Was zum Teufel

Weitere Kostenlose Bücher