Inkubus
beschleunigt? Der für genügend Schubkraft sorgt, damit dein menschliches Katapult funktioniert? Nein, das glaube ich nicht. Als Handwerker hättest du einen Weg gefunden, so ein banales Problem zu lösen … Dir gefiel dieser Ort, weil er … das geeignete Szenario für deine Inszenierung abgab.«
Amaldi griff nach einem weißen Blatt Papier und schrieb darauf: Inszenierung .
Dann nahm er sich den Bericht des Gerichtsmediziners vor.
Der Grundschullehrer Garcovich hatte noch gelebt, als man ihn auf die Motorhaube des Autos gefesselt hatte. Das konnte man auch auf den Videoaufnahmen sehen. Er lebte und war von Panik erfüllt, weil er wusste, was ihm bevorstand. Todesursache: Enthauptung. Das stand ebenfalls fest. Die Autopsie beschäftigte sich mit der Beschreibung des körperlichen Zustands des Lehrers ante mortem . Deutliches Übergewicht bis hin zur Fettleibigkeit, eine leichte Form von Diabetes. Der Allgemeinzustand des Toten war gut, die Leiche wies keine Spuren von schwerem körperlichem Verfall auf, nur Anzeichen einer erzwungenen Gewichtsabnahme. In den drei Tagen seiner Entführung hatte er keine feste Nahrung zu sich genommen – was die Gewichtsabnahme erklärte –, doch er war nicht dehydriert, also hatte man ihm regelmäßig Flüssigkeit zugeführt. Der Mörder musste ihm also zu trinken gegeben haben, weil er wollte, dass sein Opfer lebte und bei vollem Bewusstsein war, wenn er es umbrachte. Mindestens zwei Tage vor dem Mord hatte er ihm den Kiefer ausgerenkt und dabei auch die Bänder gesprengt. Nach Einschätzung des Pathologen hatte der Mörder dafür ein Hebelwerkzug benutzt. Dies schloss er aus den Spuren an den oberen und unteren Schneidezähnen. Dieser Eingriff ermöglichte es ihm, den Apfel in die Mundhöhle des Opfers zu stecken. Ein grüner Apfel, hart und noch ein wenig unreif. Und sehr groß. In den oberen und unteren Backenzähnen fanden sich auf beiden Seiten Apfelspuren, die sich bereits zersetzten und nicht zu der Frucht gehörten, die der Lehrer zum Zeitpunkt seines Todes im Mund hatte. Alles schien darauf hinzudeuten, dass der Apfel täglich ausgetauscht wurde. Man hatte auch einen Splitter Tannenholz zwischen zwei Backenzähnen oben rechts gefunden, doch der Gerichtsmediziner schloss aus, dass das Instrument, das der Mörder benutzt haben musste, um den Kiefer des Lehrers auszurenken, aus Holz gewesen sein konnte. Allerdings konnte er keine Erklärung geben, wie der Holzsplitter in den Mund des Opfers gekommen war. Es gab keine anderen Anzeichen für Folter – abgesehen von einigen Abschürfungen an Handgelenken und Knöcheln, die von dem Draht stammten, mit dem es in den drei Tagen seiner Gefangenschaft gefesselt war. Der Pathologe nahm an, dass man Grundschullehrer Garcovich an einem Stuhl festgebunden hatte. Zwischen den Pobacken und an der Hinterseite der Oberschenkel hatte er einige Strohfasern gefunden. Was bei einer zweiten Analyse darauf schließen ließ, dass das Opfer während der drei Tage Gefangenschaft nackt gewesen sein musste. Es gab keine, nicht einmal oberflächliche, Spuren von Erfrierungen oder Anzeichen von Hypothermie. Der Ort, an dem man ihn versteckt gehalten hatte, war also gut geheizt gewesen.
Die Ober- und die Unterlippe waren mit einer dünnen Hanfschnur zusammengenäht. Und zwar erst kurz vor dem Mord, wie aus der Untersuchung der Wunde hervorging. Ein Maulkorb. Diese Naht schien rein zweckdienlich gewesen zu sein – damit sollte der Apfel im Mund fixiert werden.
Einige Stunden vor dem Mord war dem Opfer ein Teil der Zunge abgetrennt worden. Sie hatten ein drei Zentimeter langes Zungenstück im Handschuhfach des Autos gefunden. Der Mörder hatte es nicht eingepackt. Er hatte es wohl dort hineingeworfen, weil er nicht wusste, was er sonst damit anfangen sollte.
Schließlich sah man auf der rechten Brust – die weich und üppig war wie ein weiblicher Busen – knapp oberhalb der Brustwarze zwei mit einem scharfen Instrument eingeritzte X. Eines etwas weiter rechts und das andere mehr links, wenn man die Brustwarze als Mitte nahm. Auch diese Einschnitte waren kurz vor dem Mord vorgenommen worden. Sie waren nicht tief. Im Vergleich zu dem, was Garcovich sonst durchmachen musste, zu dem Schmerz, den er ertragen musste, waren sie sicher unwesentlich.
»Warum?«, fragte Amaldi und fuhr mit einem Finger über eine Vergrößerung der beiden ins Fleisch eingeritzten X.
Er nahm das Foto von den zusammengenähten Lippen und legte es neben das von den beiden
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