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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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zweiten Draht in der Luft gehalten, der in der Vorhaut angebracht war. Das Glied hing lang und schlaff herab.
    »Genauso wie beim Kopf«, brachte Frese mühsam heraus.
    »Nein, der Kopf muss bereits durch den Fall vom Rumpf getrennt worden sein«, überlegte Amaldi und versuchte sich mit logischem Denken von diesen schrecklichen Bildern abzulenken. »Der Penis ist abgerissen, als die Leiter auf dem Boden aufschlug und der Körper unter der Wucht des Aufpralls zusammengedrückt wurde.«
    »Er war also schon tot. Wenigstens hat er dann nichts mehr gespürt, als ihm der abgegangen ist.«
    »Hast du etwa gerade einen Witz gemacht?«, fragte Amaldi.
    »Ja, hätte ich gern«, gestand Frese, »aber eigentlich könnte ich nur kotzen.«
    »Na ja, der Draht, an dem sein Penis hing, den muss er gespürt haben«, fuhr Amaldi fort. »Wenn der Ablauf der gleiche ist wie beim Mordfall Garcovich … war dieser Unglückliche noch am Leben, während er für den Sturz vorbereitet wurde.«
    »Hast du das da gesehen?«, fragte Frese und deutete auf die zerrissene Brustwarze und eine ovale Stelle darüber, wo das Gewebe verletzt war.
    »Ja.«
    »Was ist das?«
    Die Luft war gesättigt von dem Geruch nach Blut, Fleisch und Knochenmark.
    Eine ferne Erinnerung an Primo Ramondi ließ Amaldi erstarren. Er holte tief Luft. »Das sieht aus wie … ein Biss«, sagte er.
    »Ja … so sieht es aus.«
    Amaldi schaltete die Taschenlampe aus.
    »Wozu ist der Stein da?«, fragte Frese.
    »Ich denke, als Gewicht … damit die Leiter im Fallen aufrecht blieb«, kam Amaldis Antwort durch die Dunkelheit.
    »Möchtest du jetzt den Kopf sehen?«, fragte Frese, während sie das Zelt verließen.
    Amaldi nickte. Beiden war nicht nach weiteren witzigen Bemerkungen zu Mute. Die würden ihnen jetzt auch nicht weiterhelfen. Sie betraten den Hausflur und liefen die Treppe hinauf. Der Beamte vor der Wohnung im ersten Stock grüßte, als er sie sah, und öffnete ihnen die Tür. Er wies mit dem Arm auf einen Raum, als auch schon eine Frau erschien, so um die vierzig. Sie war elegant gekleidet, doch ihre Bluse war verkehrt zugeknöpft. Eine Brust wurde vom Stoff zusammengepresst, über der anderen hatten sich tiefe Falten gebildet. Amaldi bemerkte, dass sie sogar Schuhe angezogen hatte. Aber sie hatte sich nicht gekämmt. Im Wohnzimmer saß in einem Sessel ein Mann im Schlafanzug und hatte das Gesicht zwischen den Händen vergraben.
    »Das … da … ist gegen den Rollladen geprallt …«, redete die Frau auf Amaldi ein, sobald sie ihn bemerkte. Sie sprach schnell, abgehackt. Klang aufgeregt und empört. Ihr aggressives Verhalten konnte aber nicht über den Schrecken hinwegtäuschen, den man in ihren Augen sah. »Alles … alles ist schmutzig … so voller Blut … aber diese Leute lassen mich nicht sauber machen … das hier ist meine Wohnung … Ich habe ein Recht darauf, meine Wohnung sauber zu machen …«
    »Meine Männer beeilen sich, so gut sie können, Signora«, sagte Amaldi, legte ihr vorsichtig eine Hand auf den Arm und redete so ruhig und emotionslos mit ihr, wie es ihm selbst in diesem Augenblick möglich war. »Und wenn sie fertig sind, werden sie natürlich auch Ihren Rollladen sauber machen.«
    »Werden Sie ihnen wirklich sagen, dass sie das tun sollen?«, fragte die Frau nun hoffnungsvoll, weil sie sich dies nicht hätte träumen lassen.
    »Selbstverständlich, Signora. Wir säubern das.«
    »Mit Alkohol?«, fragte die Signora nach, um sicherzugehen, dass es nicht einfach nur eine Floskel von ihm war.
    »Mit einem viel wirksameren Desinfektionsmittel, mit breitem antibakteriellen Wirkspektrum. Es wird nicht die kleinste Spur zurückbleiben.«
    Die Frau sah ihn erschöpft, aber dankbar an.
    »Auf dem Rollladen«, sagte sie leise.
    »Ja, auf dem Rollladen.« Amaldi wusste, was die Frau eigentlich sagen wollte. Manche Flecken lassen sich aus dem Kopf nicht so einfach entfernen wie von einem Rollladen. »Ich werde Ihnen auch einen Psychologen schicken … er wird versuchen, Ihnen zu helfen …«
    Plötzlich brach die Frau in unterdrücktes Schluchzen aus.
    »Wer kann so etwas tun wollen …?«, fragte sie und sah Amaldi an. »Warum nur?«
    Es war immer dieselbe Frage. Und darauf kam von ihm immer dieselbe Antwort.
    »Ich weiß es nicht.«
    Die Frau lehnte sich leise weinend an seine Brust. Amaldi legte ihr einen Arm um die Schulter und geleitete sie ins Wohnzimmer zu ihrem Mann. Der sah völlig abwesend zu seiner Frau hinüber und nahm sie auf den Schoß.

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