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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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umgebracht …«
    »Wag es ja nicht, mein Leben mit deinen Bemerkungen in den Dreck zu ziehen«, fuhr ihn Amaldi an, seine Augen waren gerötet und schmal wie zwei Wunden.
    »Warum bist du Polizist geworden?«, stichelte Palermo ungerührt weiter. »Um sie zu rächen? Oder um deinen Vater rauszuhauen? Er war doch ein Schmuggler, oder? Ich habe gelesen, dass er verhaftet worden ist …«
    Amaldi stürzte sich auf ihn. Plötzlich entlud sich all seine Wut in diesem Angriff und er stieß Palermo gegen eine Mauer, seine Lippen waren schmal, die Nasenflügel zitterten, die Augen brannten vor Zorn. Er atmete schwer und hatte völlig die Beherrschung verloren.
    Palermo machte ein spöttisches Gesicht. »Ist das das Vermächtnis des Präparators?«, fragte er. »Du hast eine verbotene Tür geöffnet … Ist es so?«
    Amaldi lockerte seinen Griff.
    »Ich kann dich nicht leiden, Palermo«, sagte er kraftlos.
    »Das ist nicht gerade ein großes Geheimnis, glaub mir.«
    »Du bist durch und durch verderbt.«
    »Wer ist das nicht hier im Käfig?«
    Amaldi wandte sich ab. Einige Passanten waren stehen geblieben, um das Geschehen zu beobachten. Als sie seinem Blick begegneten, verschwanden sie schnell.
    »Gehen wir ins Dover Beach «, sagte Palermo.
    Amaldi folgte ihm. Er war wieder völlig leer. Wieder war sein Leben ohne Sinn. Schließlich drehte er sogar den Kopf, um zu sehen, ob die Schatten der Vergangenheit ihn nicht verfolgten.
    Er hatte vom Dover Beach gehört. In seiner Kindheit war das Lokal eine Gaststätte, in der die Hafenarbeiter verkehrten. Moderate Preise, Fisch, den man auf dem Markt nicht mehr verkaufen konnte, gepanschter saurer Wein. Amaldi sah seinen Vater vor sich, wie der betrunken neben seinen Kumpeln saß. Karten in der Hand, ein schmieriger Tisch, Schweißgeruch in der Luft. Eine alte Hure, die niemand mehr wollte, genau wie den Fisch, der in dieser Kaschemme serviert wurde. Er erinnerte sich daran, dass dieses Lokal damals gar keinen Namen hatte. Und an das Zimmer hinter der Theke, in dem der Besitzer alles Mögliche in Holzregalen, neben den Flaschen, Käselaiben und Würsten wild übereinanderstapelte. Ihm kam wieder dieser Heiligabend in den Sinn, an dem sein Vater ihn bei der Hand genommen und in dieses Zimmer geführt hatte, um ihn zu beschenken. Der kleine Giacomo hatte sich in dem dunklen Zimmer umgesehen und zwischen Staubsaugern, Radioapparaten, Rohrverbindungen, Motorenteilen, Teppichen, Vorhängen, Sonnenschirmen aus Messing, Hüten, Schuhen, Mänteln, Zigarettenetuis, Plattenspielern, Tassen, Tellern, Gläsern und einer Stehlampe herumgesucht. Nichts für Kinder. Keine Spielsachen. Schon gar nicht das rote Feuerwehrauto, das er vor ein paar Tagen im Schaufenster eines Ladens an der Hauptstraße gesehen hatte. Das Einzige, was entfernt an ein Spielzeug erinnerte, war ein Pferd aus weißem Porzellan, das sich auf den Hinterläufen aufbäumte und das Maul wiehernd aufriss. Darauf hatte er dann gezeigt. »Das kostet dich fünf Kilo von deiner Ware«, hatte der Wirt zu seinem Vater gesagt. Fünf Kilo des geschmuggelten Kaffees.
    Doch das hatte Amaldi erst viel später verstanden, als das Pferd schon längst heruntergefallen und in tausend weiße Scherben zersprungen war. Als sein Vater für sechs lange Monate nicht mehr nach Hause kam.
    Er wusste nicht, was aus dem Lokal oder seinem Besitzer geworden war. Irgendwann war es geschlossen, aber er hatte sich keine Fragen gestellt. Dann führte ihn sein Weg nicht mehr dort vorbei. Schließlich hatte er bei der Sitte wieder davon gehört. Etwas über Razzien. Doch die wurden immer weniger, bis das Dover Beach schließlich zusammen mit den Huren, den Taschendieben und den Armen ein fester Bestandteil der Altstadt geworden war.
    »Woher kommt der Name?«, fragte er Palermo, als sie das Schild der Kneipe sehen konnten.
    Palermo zuckte mit den Schultern. »Der Typ, der es jetzt führt, hat den Namen einfach beibehalten … Ich denke, weil er gut klingt, mehr nicht …«, sagte er, stieß die beiden Türflügel mit einem Fuß auf und betrat das Lokal.
    Amaldi folgte ihm. Ein kräftiger, muskelbepackter Mann stand von einem Tisch auf und kam ihnen bedrohlich entgegen. Als er Palermo erkannte, blieb er lächelnd stehen. Der ging weiter und steuerte direkt auf eine Tür zu. Amaldi erkannte sie sofort und fühlte einen Stich in der Magengegend. Es war das Zimmer mit dem weißen Porzellanpferd.
    Palermo öffnete die Tür. »Erzählt keinen Mist, ich bin dienstlich

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