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Inkubus

Inkubus

Titel: Inkubus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luca Di Fulvio
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Kaffee.
    »Ich habe einen heroinsüchtigen Luden sagen hören, dass er dir noch Schmiergeld schuldet. Eigentlich könnte ich dich anzeigen«, meinte Amaldi.
    Palermo drehte sich zu ihm um und lachte. »Du hast völlig den Bezug zur Realität verloren. Wer, meinst du, würde dir jetzt, in deinem Zustand, glauben? Gib’s endlich auf, Amaldi, du bist zu nichts mehr zu gebrauchen.«
    »Ja …«, gab Amaldi leise zurück. Es war nur noch ein Flüstern.
    Palermo schaute wieder zu der Wohnung der Prostituierten hinüber.
    »Er ist es«, sagte er noch einmal.
    Die Stimmung draußen war bedrückend, die Wolken am grauvioletten Himmel hingen tief über der Stadt.
    »Er wird kommen«, sagte Palermo.

XV
    Primo Ramondi hatte sie gesehen.
    Der eine war der Polizist, der ihn verfolgte. Der sich als sein Vater verkleidete.
    Der andere musste sein dunkler Schatten sein.
    Trotzdem hatte er sie beide erkannt. Sie saßen an einem Tisch in der Bar und beobachteten ihr Fenster. Das Fenster der Hure, die sich als seine Mutter ausgab. Sie observierten das Fenster und die Eingangstür.
    Er hatte sie ohnehin an vielen Details erkannt, zum Beispiel an der Art, wie sie ihre Hände bewegten, an ihrer aufrechten Haltung, an der Anspannung, die sie ausstrahlten. Außerdem tranken sie ausschließlich Kaffee, sahen einander niemals an und unterhielten sich kaum. Und wenn sie es taten, bewegten sie die Lippen so wenig wie möglich und verzogen keine Miene, ganz gleich, ob sie selbst eine Information bekamen oder sie kommentiert weitergaben. Er hätte sie auch an ihrer nachlässigen Kleidung erkannt, die ihr unregelmäßiges Leben widerspiegelte. Und an den bequemen, ausgetretenen Schuhen, die so aussahen, als hätten die Füße darin nur dieses Zuhause.
    Primo Ramondi konnte sie erkennen, weil seine Sinne so geschärft und ständig in Alarmbereitschaft waren, stellte er voll Stolz fest. Weil er über eine ausgezeichnete Beobachtungsgabe verfügte und die Welt von einer höheren Warte aus betrachtete. Eine Welt, der er nicht mehr angehörte, sondern die er von außen betrachtete.
    Jeder andere, der nicht so sensibilisiert war wie er, hätte sie ebenfalls leicht ausmachen können. Primo Ramondi erschauerte, als er ihre wie von einer schmierigen Schicht überzogenen Augen betrachtete, die wie dunkelrot glühende Kohlestücke leuchteten und so blutunterlaufen waren, dass man meinte, sie müssten bald überfließen. Allmählich ließ die Stadt ihre Maske fallen. In diesen Tagen, diesen Stunden, seit er die Wahrheit aus der Kehle seines Vaters hervorgezerrt hatte, waren ihm schon viele Schatten begegnet, die sich jetzt offen zeigten. Sie waren gieriger als je zuvor, weil sie spürten, dass sie das Spiel verloren hatten. Sie hatten ihre Tarnung abgelegt, gaben nicht mehr vor, beschäftigt zu sein, sondern hetzten auf der Suche nach ihm durch die Straßen. Das Volk der Gerechten. Aber er hielt immer noch die Seele seines Vaters gefangen und würde sie nicht mehr so schnell loslassen. Schließlich stand er kurz vor dem Sieg.
    Obwohl Primo Ramondi sich nicht vor den beiden Männern fürchtete, lief es ihm doch wieder eiskalt den Rücken hinunter, als er die beiden dort am Tisch sitzen sah. Keiner der Schatten auf seinem bisherigen Weg hatte seine wahre Natur so offen gezeigt. Seit er sich der Seele seines Vater bemächtigt hatte, hatte er den Polizisten enttarnen können. Es war nichts als eine Verkleidung. Die Maske seines Vaters, die er sich auf das Gesicht geklebt hatte, die Maske eines Toten, deshalb war so viel Blut geflossen.
    Er, Primo Ramondi, hatte sich in jenem dunklen Tunnel, dieser Urzeithöhle, die Seele seines Vaters zurückgeholt – und sie verschlungen.
    Nun existierte nur noch ein Mensch, der seine Schwäche kannte. Und diese beiden im Café waren hier, um ihn zu beschützen. Denn das war alles, was ihnen, den Schatten, blieb. Noch ein Schritt, nur noch dieser eine Schritt, und Primo Ramondi würde frei sein und zum einzigen Priester der Wahrheit werden. Er würde wieder die Oberhand bekommen, denn er hatte den Sieg in der Hand.
    Die Klinge blitzte im Halbdunkel der Gasse auf. Sie schluckte das Licht, nahm den Glanz der Sonne in sich auf, um damit die Finsternis zu erhellen. Um das Fleisch zu beleuchten, das sie gleich zerteilen würde, damit es dem neuen Leben in ihm ein fruchtbarer Boden sein konnte.
    Das war der Grund des Daseins.
    Prüfend fuhr er sich mit der Zunge erst über die oberen, danach über die unteren vier Eckzähne. Er

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