Innenhafen
unserem Alter doch nicht, oder? Eine Wohnung zu kaufen, meine ich.«
»Nein«, gab ich zu.
»Bettina meint, er könne sich das eigentlich gar nicht leisten. Aber als Bankangestellter wird er doch wohl an einen günstigen Kredit rankommen.«
Ja, dachte ich. Vermutlich. Trotzdem wollte ich mir die Sache noch mal genauer ansehen.
* * *
Zu Hause angekommen fütterte ich die Katzen, belegte mir selbst ein paar Brote und machte eine Kanne Tee. Den Teller mit den Schnittchen griffbereit neben mir, lümmelte ich mich auf mein rotes Sofa, verschränkte die Arme im Nacken und sortierte meine Gedanken.
Was wusste ich über Kurt?
Seine Frau hatte ihn sehr früh verlassen. War schon ziemlich ungewöhnlich, dass sie ihm einfach die Tochter überließ. So was hörte man selten. Ich überlegte, wen ich zu dem Thema befragen könnte. Volker natürlich. Und die alte Clique. Ines hatte schließlich erzählt, dass sie sich – wenn auch nicht oft, so doch trotzdem in regelmäßigen Abständen – über die letzten knapp dreißig Jahre hinweg getroffen hatten. Also nicht unwahrscheinlich, dass sie mir alle eine Menge über Kurt erzählen konnten. Zur Scheidung, und zum Thema Beruf wahrscheinlich auch. Ich zog ein Blatt Papier aus dem Schubfach mit Schmierpapier, angelte einen Stift vom Schreibtisch und notierte:
1. Ines anrufen wegen der Telefonnummern von Gerda und Matthes und in Gottes Namen auch Barbara, wenn’s denn unbedingt sein muss
2. Kontakt mit allen aufnehmen, am besten alle zusammen treffen
Kurti war in seinem Wagen umgekommen. Und da die Kripo mit im Rennen war, handelte es sich nicht um einen einfachen Unfall. Ein Tanklastzug war umgekippt und dann in Brand geraten. Wegen der Explosion. Wie oft kam es überhaupt vor, dass ein Auto in Brand geriet oder gar explodierte? Und wodurch? Die berühmte Frage nach der Henne und dem Ei drängte sich mir auf.
Ich fuhr den Rechner hoch, gab nacheinander die Stichworte »Autounfall«, »brennendes Auto«, »Manipulation am Auto«, »Lenkung versagt«, »Bremsen versagen« in Google ein und arbeitete mich durch Artikel, Dokumentationen und anderes Material.
Überrascht stellte ich fest, dass verhältnismäßig oft in irgendwelchen Berichten von Feuerwehr oder Polizei, aber auch in der Regenbogenpresse von Defekten an Autos, von brennenden Fahrzeugen und Unfällen mit ungeklärten Ursachen die Rede war. Ich fand Rückrufaktionen namhafter Autohersteller, weil Lenkungen versagten, die Elektronik ausfiel oder die Geschwindigkeit nicht mehr regulierbar war – unter bestimmten Voraussetzungen kam das vor. »Wagen kam von der Straße ab, Ursache unbekannt«, »Auto brannte aus bisher nicht geklärten Gründen aus«, »Fahrzeug raste mit voller Geschwindigkeit in die Kurve … Fahrerin kam mit dem Schrecken davon« – wenn man das alles so las, fuhr man nicht mehr so gern Auto. Fand ich zumindest.
Einige Reportagen setzten sich mit dem merkwürdigen Unfall auseinander, der den österreichischen Politiker Haider zu Tode gebracht hatte. Unfall oder Mord. Unfall oder Mord. Unfall oder Mord … Ich bräuchte jemanden, der was von Autos versteht, dachte ich. So jemanden wie Kupfer-Mike. Seit der Sache mit Bertold und Jan hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Kein Wunder. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Dabei hatte ich Mike spontan sehr gemocht. Ich zog meine Notizen heran und erweiterte die Liste.
3. Mike fragen nach dem Autothema
Was wusste ich noch über Kurt? Über den Kurt von heute?
Er hatte eine Wohnung kaufen wollen. Merkwürdig, dass Bettina nichts davon wusste. Ich holte den Brief aus dem Rucksack, den ich kurz vorher in Kurts Briefkasten gefunden hatte, und studierte die Informationen im Briefkopf. In der Betreffzeile fand ich, was ich suchte. Schnell tippte ich die Objektnummer in die Suchmaschine ein. Die spuckte mir eine Immobilie mit dem Vermerk »verkauft« aus. Eine Wohnung am Duisburger Innenhafen, bevorzugte Wohnlage.
Leise pfiff ich durch die Zähne. Schon wieder dieser Innenhafen. Bestimmt nicht gerade preiswert. Die Detailinformationen zum Objekt konnte ich leider nicht mehr öffnen, vermutlich, weil die Wohnung als verkauft gekennzeichnet war. Aber das zuständige Maklerbüro konnte ich anrufen. Ich schrieb mir die Telefonnummer auf. Oh Internet, was, zum Teufel, würde ich ohne dich tun? Ein Blick auf die Uhr sagte mir jedoch, dass es keinen Sinn machte, dort noch anzurufen. Auch dieses Thema sollte ich morgen genauer unter die Lupe
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