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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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im Moose, bescheiden, sittsam und rein, nicht wie die stolze Rose, die immer bewundert will sein , mischte sich meine Urahnin ein. Mir  musst du das nicht sagen, Großmutter!
    »Hallo Barbara.« Erneut entwich mir ein kleiner Rülpser. Das Zeug lag wirklich verdammt schwer um Magen.
    »Puh!« Barbara kräuselte ihre Nase in lauter kleine Fältchen. »Hier hat aber einer mächtig geknofelt. Hallo zusammen.« Sie klopfte dreimal auf den Tisch. Dann holte sie sich einen Stuhl vom Nachbartisch und quetschte sich zwischen Volker und Ines, die auch pflichtschuldig beiseite rückten. Neben Matthes wäre eigentlich noch genug Platz gewesen. So jedoch löste Barbaras Aktion eine muntere Kettenreaktion aus, bis die Stühle wieder halbwegs gleichmäßig um den Tisch verteilt waren.
    »Hallo, Volker.« Drei Bussis, links, rechts, links. Oder war es rechts, links, rechts? Auf jeden Fall französisch, ganz Dame von Welt. Ich machte es immer falsch, wenn ich mal mit diesem Begrüßungsritual konfrontiert wurde.
    »Na dann können wir ja«, sagte Volker und blickte in die Runde. »Wie ihr vermutlich alle bereits wisst, wurde Kurt ermordet. Und Toni will rauskriegen, wer das war. Toni?«
    Damit war das Wort an mich übergeben.
    »Frau Detektivin«, witzelte Barbara in Volkers Ohr hinein. »Wie aufregend!«
    »Und was sollen wir dabei?«, fragte Matthes. »Willst du eine  Task Force gründen, oder was?«
    »Quatsch.« Ich musste lachen. »Ich möchte, dass ihr mir von Kurt erzählt. Ihr habt ihn besser gekannt als ich, weil ihr euch regelmäßig getroffen habt. Ich möchte, dass ihr mir erzählt, wie er in den letzten Jahren war. Wie es ihm ergangen ist, was er gemacht hat, worüber ihr geredet habt, wenn ihr euch getroffen habt.«
    »Tja, wärst du mal auch gekommen«, sagte Ines spitz. »Dann bräuchtest du jetzt nicht zu fragen.«
    Ich seufzte. »Bin ich aber nicht. Also bin ich auf euch angewiesen.« Abwartend legte ich den Kopf schief.
    »Was Kurt für ein Mensch war?« Barbara lachte nervös auf. »Du stellst vielleicht Fragen. Ich weiß ja nicht mal genau, was für ein Mensch ich bin!« Sie fuhr sich mit den Fingern durch ihre dunklen Stoppeln, so, als wollte sie die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Früher war sie nicht so penetrant gewesen.
    Darauf mochte ich nicht eingehen. »Ja. Was Kurt für ein Mensch war, genau«, beharrte ich. »Früher war er unser Klassenclown. Tollpatschig und immer für einen Witz zu haben, besonders für Scherze über sich selbst. Manchmal ein bisschen nervig in seiner Art. Dauernd gab es etwas, über das er gejammert hat. Aber er stand für einen gerade und war irgendwie ein liebenswerter Kerl, dem man nie böse sein konnte. Das war vor fast dreißig Jahren. Die sind nicht spurlos an uns vorübergegangen. Wie war Kurt heute?«
    »Du hast dich auf jeden Fall nicht verändert«, sagte Gerda lachend. »Nicht wesentlich jedenfalls.«
    »Glaub mir, ich habe. Aber das ist jetzt nicht das Thema.«
    »Sag ich doch. Ganz die Alte.« Sie lachte mich wieder an. Ansteckend war das, dieses Lachen. »Und bei Kurt war das genauso. Im Großen und Ganzen ist er – na, eben Kurt geblieben.«
    »Trotzdem haben wir uns alle verändert.« Matthes äußerte das so ernsthaft, als sei es ein unglaublich innovativer Gedanke. »Äußerlich sowieso. Wir gehen inzwischen streng auf die fünfzig zu, das lässt sich nicht leugnen. Leider.«
    Ich verkniff mir einen flapsigen Kommentar. Mit Matthes war die Metamorphose vom Teenager zum Fuffy am schonungslosesten umgegangen. Die Haare waren zwar noch dicht und relativ lang, aber von einem unschön verwaschenen Grauton. Weniger Haar wäre besser, dachte ich spontan. Kürzer müsste es auf jeden Fall sein. Außerdem wirkte er seltsam aufgedunsen. Trank er zu viel? Und seine Stirn war von tiefen Falten zerfurcht. Sorgenfalten?
    »Du hast ja recht«, stimmte ich zu. »Mein Damenbäuchlein nervt mich auch, und mein Busen wird schlapp. Davon rede ich aber nicht. Es geht mir ums … äh … innere Wesen.« Schon in dem Moment, in dem ich das aussprach, kam ich mir dämlich vor.
    »Die inneren Werte.« Gerda kicherte prompt los, und auch Ines lachte mit. »Sag bloß!«
    Ich stimmte in das Gelächter ein. »Ihr seid unmöglich!« Plötzlich fühlte ich mich wohl in dieser Runde. Geborgen. Ein Hauch von früher hing in der Luft, von der Leichtigkeit, mit der wir uns damals begegnet waren. »Aber jetzt mal im Ernst. Ich spreche hier nicht von Bierbauch und Haarausfall. Und das wisst ihr

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