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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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sein?«, fragte sie schnippisch. »Ein tragischer Unfall mit Todesfolge. Davon kann man alle Nase lang in der Zeitung lesen.«
    »Kein tragischer Unfall. Mord. Die Polizei hat doch bestimmt mit Ihnen gesprochen, oder etwa nicht?«
    »Doch. Es waren zwei Beamte da, die haben mit mir …« Sie verstummte, schien das erst mal verdauen zu müssen. »Die haben gesagt, es sei ein Unfall mit Todesfolge gewesen.« Ihr Tonfall war störrisch, so, als wollte sie sich an dem Gedanken festhalten. Dann sah sie mich an. Sie hatte kluge Augen, und ich erkannte, dass Stirnfalten sie nur noch interessanter machen würden. »Wieso Mord?«, fragte sie sachlich.
    »Wenn die Polizei das nicht erklärt hat, werde ich das gewiss nicht verraten. Dafür bitte ich um Verständnis.«
    Ich sah ihr direkt in die Augen und hielt ihren Blick fest. So lange, bis sie mit dem Schließen der Augenlider Akzeptanz signalisierte.
    »Also ermordet«, stellte sie fest. »Und was möchten Sie von mir wissen?«
    »Auf was konnte Kurt in der Bank alles zugreifen? Also, EDV-technisch betrachtet.«
    »Sie vermuten, dass sein Tod mit seinem Job zu tun hat?« Die Bestürzung in ihrer Stimme wirkte echt.
    »Ich bin nicht sicher, aber ich weiß, dass er kürzlich zu viel Geld gekommen ist«, sagte ich langsam. »Hat er vielleicht mal was von einer Erbschaft erzählt?«
    »Nicht, dass ich wüsste. Allerdings habe ich ihm vor einem halben Jahr deutlich zu verstehen gegeben, dass ich seine Aufmerksamkeit nicht schätze. Sie artete in Belästigung aus.«
    Noch eine, die er vergrault hatte. »Wurde er etwa handgreiflich?«
    »Nein.« Lydia strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Dazu hatte er nicht den Mumm. Aber seine stille Verehrung war aufdringlich und unangenehm.«
    Wenn er den Mumm gehabt hätte, wäre es dir doch auch nicht recht gewesen, fügte ich still hinzu und ärgerte mich. Blödes Kriterium, nicht den Mumm zu tatkräftiger Aufdringlichkeit zu haben.
    »Er ist also zu Geld gekommen. Glauben Sie etwa, er hat Konten geplündert?«
    Ich lächelte in mich hinein, froh darüber, dass sie von selbst auf dieses heikle Thema zu sprechen kam, das mir seit dem Vortag im Kopf herumspukte.
    »Manipulation von Konten? Geht das denn so problemlos?«
    »Eben nicht. Wir alle haben schließlich unsere eindeutigen Benutzer-Log-ins. Und jede Transaktion wird mit diesem Log-in gekennzeichnet und mit Datum und Uhrzeit versehen. Das wäre aufgefallen, zumal Kurt schon lange nichts mehr mit der Kontenverwaltung der Kunden zu tun hatte.«
    »Er vergab Kredite, richtig?«
    »Ja. Aber jeder größere Kredit muss abgesegnet werden.«
    »Von wem?«
    »Von mir zum Beispiel. Bei richtig großen Beträgen auch von Dr. Behrends.«
    »Was sind richtig große Beträge?« Ich lächelte sie an. »Sie hantieren täglich mit diesen Zahlen. Und mein Konto ist nicht gerade üppig bestückt. Ich vermute mal, dass der Begriff ›große Beträge‹ bei uns beiden recht unterschiedlich ausgelegt wird. Also: Ab welcher Höhe mussten Kredite über Sie abgesegnet werden und wann zusätzlich durch Dr. Behrends?«
    Sie sah mich nachdenklich an. »Reicht es, wenn ich Ihnen sage, dass Kredite im vierstelligen Bereich für mich uninteressant waren und Dr. Behrends erst ab einer Größenordnung von sieben Stellen vor dem Komma mit im Boot sein wollte?«
    »Also, über Kleinkredite durfte er selbst entscheiden. Wenn es ums Häuslebauen ging, waren Sie gefragt, und bei Unternehmenskrediten ging das Ganze zusätzlich noch über Dr. Behrends Schreibtisch«, fasste ich zusammen.
    »So in etwa. Ausnahmen bestätigen die Regel. Außerdem werden Verhandlungen um richtig große Kredite nicht von den einfachen Angestellten geführt. Da bin ich respektive Dr. Behrends von vorneherein federführend.«
    Ich runzelte die Stirn. »Ist der Sachbearbeiter bei solchen Verhandlungen denn mit dabei?«
    »Mal ja, mal nein.« Lydia saugte einen großen Schluck des Blauen Engels in sich hinein. »Spätestens, wenn es um den ganzen Formularkram geht, kommt aber immer ein Sachbearbeiter mit ins Spiel.«
    »Ein Vorteil, wenn man die Erfolgsleiter hinaufgeklettert ist«, sagte ich süffisant. »Man muss sich um den ganzen Kleinkram nicht mehr kümmern.«
    »Jetzt kommen Sie mir bloß nicht mit der Leier.« Sie machte eine wegwerfende Bewegung mit dem Kopf und widmete sich wieder ihrem Engel.
    Ich sparte mir weitere Kommentare in diese Richtung.
    »Was muss denn ein Sachbearbeiter alles prüfen, um einen Kreditantrag

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