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Innenhafen

Innenhafen

Titel: Innenhafen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Sternberg
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dann den fremden Körper. Den schnellen Schlag eines Herzens. Volkers Herzschlag. Volker, den ich von hinten umschlungen hielt, wie ein Löffel an seinen Körper angeschmiegt. So wie früher auf seinem Roller. Nur noch viel, viel dichter.
    Er war ebenfalls wach, ich spürte es. Zu schnell der Herzschlag, zu leicht der Atem für einen Schlafenden. Er drehte sich mühsam zu mir herum auf der engen Pritsche. Volker, verdammt … Auch mein Herz begann, schneller zu schlagen.
    Folgerichtig, wie schon gesagt. Eine logische Konsequenz. Nicht selbstverständlich. Nur logisch.
    Fast ehrfürchtig bahnten sich unsere Hände den Weg unter die Kleidung, schüchtern und seltsam keusch.
    »Das hatte ich damals schon tun wollen«, flüsterte ich. Und küsste ihn, nicht mehr ganz so keusch, nicht mehr ganz so zögerlich, die Hände zielgerichteter.
    Ich will die Situation nicht romantischer machen, als sie war. Viel zu kalt, um sich vollständig auszuziehen, viel zu wenig Platz, um erfinderisch zu sein. Aber genau das machte vielleicht die besondere Intensität der Situation aus. Und intensiv, das war es.
    »Warum hast du nicht noch mal gefragt?«, fragte ich später leise.
    »Warum bist du nicht zu mir gekommen?«, gab er ebenso leise zurück.
    »Ich dachte, du fragst noch mal. Dann wäre es einfacher gewesen zu antworten«, sagte ich wahrheitsgemäß. »Aber du hast dich ja sehr schnell mit Barbara getröstet«, rutschte es mir heraus.
    »Quatsch«, sagte er nur. Schob seine Hand unter mein Haar und fuhr mir sachte gegen den Strich. »Barbara war einfach eine gute Freundin. Ist sie bis heute. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.«
    Ich lächelte still in mich hinein und zog ihn wieder an mich. Dicht, dichter, Haut an Haut, wie ein Rausch.
    * * *
    Der Rausch verschwand mit der Morgendämmerung. Stöhnend reckten wir unsere schmerzenden Glieder.
    »Und da sagt man immer, so eine Nacht in der Natur sei ein wahrer Jungbrunnen«, sagte ich seufzend.
    Wir fingen an zu lachen. Beide gleichzeitig. Als hätte jemand in einer Comedy-Show das Schild »Jetzt lachen« hochgehalten.
    Volker musterte mich unbefangen. »Interessante Frisur«, sagte er anzüglich.
    Ich konnte mir vorstellen, wie ich aussah. »Die  Haute Couture  nennt das Vogelnest«, witzelte ich.
    »Ach was. Ich hatte an Wischmopp gedacht.«
    Ich kicherte. »Du siehst aber auch nicht nach Laufsteg aus«, sagte ich, nicht minder anzüglich. »Vogel in der Mauser, würde ich meinen. Aber nicht gerade ein Jungvogel.«
    Er griff mir ins Genick und schüttelte mich zart. »Kleine Zecke.«
    Schon wieder musste ich kichern. Konnte gar nicht mehr aufhören. »Verdammt, mir ist alles eingeschlafen. Das tut weh.«
    »Und k-k-k-kalt ist es«, sagte Volker mit klappernden Zähnen.
    Auch mir kroch die Kälte erneut in die Glieder. »Lass uns hier abhauen«, schlug ich vor. »Es ist hell genug, und ich glaube, es regnet nicht mehr. Wir sollten zusehen, dass wir aus dem Funkloch rauskommen und Hilfe holen.«
    * * *
    So schlimm, wie befürchtet, saß der Wagen nicht fest. Im nächsten Dorf, das wir nach knapp anderthalb Stunden Fußmarsch erreichten, trieben wir einen Bauern auf, der ihn mit einem Trecker wieder auf den matschigen Weg zurückzog. Die Beifahrertür hatte eine ordentliche Delle abbekommen und ließ sich nicht mehr öffnen, ansonsten schien der Wagen jedoch intakt. Ich kletterte von der Fahrerseite über die Kupplung auf den Beifahrersitz.
    Wir fanden eine Werkstatt, die sich den Wagen von unten ansah, bevor wir weiterfuhren. Besser war das. Drei Stunden später waren wir endlich auf der Autobahn.
    Dieses Mal war es ein befangenes Schweigen. Eines, das verriet, dass keiner von uns beiden wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte.
    Ich sah auf seine Hände am Lenkrad. Feingliedrige Hände, die wunderbar sensibel gewesen waren. Musterte verstohlen sein Profil und war … verwundert. Dachte an die Intensität der vergangenen Nacht und versuchte, sie mit dem Mann dort neben mir in Einklang zu bringen. Ich war verwirrt, denn es gelang mir nicht richtig.
    »Mensch Volker«, sagte ich schließlich. Meine Stimme klang genauso hilflos, wie ich mich fühlte.
    Er wandte mir den Kopf zu, und ich musste schlucken.
    »Ich habe das heute Nacht genauso gebraucht wie du offensichtlich auch«, sagte ich dann. »Wäre das vor dreißig Jahren passiert, ich wäre dir hoffnungslos verfallen. Es war wunderschön, bizarr, ziemlich verrückt und sehr, sehr intensiv. Ich werde das gewiss nie

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