Innere Werte
Wesen und ihre extrem hilfsbereite und dabei unaufdringliche Art waren den Männern angenehm aufgefallen. Die Arbeit an so einem düsteren Fall machte sie für alle etwas erträglicher.
Auf dem Weg ins Präsidium hatte Dieter zu Michael gesagt: »Diese Georgia Galanis würde gut zu dir passen.«
»Wieso?«
»Sie versteht es, genau wie du, den schrecklichen Ernst durch ihre Art zu mildern.«
»Sie passt aber überhaupt nicht in mein Beuteschema«, gab Michael zurück.
»Und warum nicht?«
»Erstens könnte sie verheiratet sein, zweitens ist sie viel zu intelligent und drittens ist sie eine absolute Powerfrau.«
»Wenn ich das richtig verstehe, sind für dich nur dumme Versagerinnen attraktiv?« Dieter warf Michael ein schiefes Grinsen zu. »Junge, du solltest dein Beuteschema überdenken.«
»Quatsch.«
»Dann hast du also bloß Angst, dass du bei einer solchen Frau nichts mehr zu melden hättest?«
Michael antwortete nicht, sondern zuckte nur mit den Schultern.
Die hereinkommende E-Mail riss die Männer aus ihren Gedanken. Die Zentrale der Handy-Provider übermittelte diesmal zwei Treffer: eine von Klaus Schröder im Joseph-Haydn-Weg in Tuttlingen und unter derselben Adresse eine von Isabel Schröder. Während Paul versuchte festzustellen, um wen es sich bei der Frau handelte, tippte Martin auch schon die Nummer ein. Diesmal hatte er mehr Glück. Schon nach dem dritten Klingelton wurde sein Anruf entgegengenommen.
»Schröder«, meldete sich eine weibliche Stimme.
»Guten Abend! Mein Name ist Sandor und ich müsste dringend Klaus Schröder sprechen.«
»Mein Mann hat Urlaub und ist dann grundsätzlich nicht zu sprechen.« Das kam prompt und resolut.
»Es geht um eine wichtige firmeninterne Information und –« Noch ehe er weitersprechen konnte, fiel sie ihm ins Wort.
»Gerade deswegen.« Die Frau klang verärgert. »Die Firma ist ja wohl imstande, ein paar Tage ohne ihn auszukommen.«
Daraufhin herrschte absolute Stille in der Leitung und der Kommissar blickte zuerst sprachlos auf das Telefon, dann seine Kollegen an.
»Was ist?«, fragte Michael ungeduldig.
»Sie hat aufgelegt. Die Frau des Hauses kämpft wie eine Löwin um die Urlaubsruhe ihres Gatten.«
»Also Ehefrau«, murmelte Paul.
Martin drückte die Wahlwiederholung und stellte auf Lautsprecher, damit die Kollegen mithören konnten.
»Schröder!«
»Hier ist Hauptkommissar Sandor von der Mordkommission Wiesbaden. Ich muss dringend Herrn Klaus Schröder sprechen.«
»Sie haben doch eben schon mal angerufen. Wollen Sie mich für dumm verkaufen?«
»Das liegt mir fern. Aber ich möchte Sie wirklich bitten, mir Ihren Mann ans Telefon zu holen. Es ist ausgesprochen wichtig!«
»Sie sind also von der Polizei?« Belustigung lag in ihrer Stimme.
»Ja, von der Mordkommission in Wiesbaden«, wiederholte Martin.
»Und ich bin vom anderen Stern!«, rief sie in den Apparat und drückte das Gespräch weg.
»Das gibt’s doch nicht!« Martin schüttelte den Kopf. »Die glaubt mir nicht.« Und wieder drückte er die Wahlwiederholung. »Jetzt reicht’s!«
»Schröder!«
»Sandor hier. Sagen Sie, warum gehen Sie eigentlich immer wieder an Ihr Handy, wenn Sie sowieso mit niemandem telefonieren wollen?«
In der Leitung herrschte Stille. Diese Frage hatte ihr offensichtlich die Sprache verschlagen.
»Hören Sie, Sie geben mir jetzt Ihren Mann, damit ich nicht in die Verlegenheit komme, Ihnen eine Polizeistreife vorbeizuschicken.«
»Das wird sicher schwierig.« Frau Schröder hatte ihre Stimme und ihre Selbstsicherheit wiedergefunden. »Oder haben Sie spezielle Kontakte zur Polizei in Kapstadt?«
»Sie sind in Südafrika?«, fragte Martin fast erschrocken.
»Ja, so nennt man die Gegend hier.«
»Frau Schröder«, er schlug einen samtweichen Ton an. »Ihr Mann könnte uns bei der Identifizierung einer Leiche helfen, die eine Prothese seiner Firma trägt. Er ist der Einzige, der uns da Auskunft geben kann.«
»Mein Gott!«, rief sie entsetzt. »Das ist ja grauenvoll!«
»Wären Sie so reizend, mir jetzt Ihren Mann zu geben.«
»Ja, sicher. Das heißt, nein. Im Moment geht das ja gar nicht.«
»Warum nicht?«
»Er ist mit einem Freund ausgegangen. Und ich weiß nicht, wohin und wie lange sie bleiben. Sein Handy liegt hier. Ich kann ihn wirklich nicht erreichen.«
»Wer vertritt ihn zurzeit in der Firma?«
»Sie fragen Sachen. Keine Ahnung. Über geschäftliche Dinge sprechen wir grundsätzlich nicht.«
Noch so ein hilfreicher Grundsatz
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