Innere Werte
die Tat umzusetzen.
Vor dem Rathaus war es ziemlich voll und schwierig durchzukommen. Langsam schoben sie sich durch die Menschenmassen, um zum Eingang der Marktkirche zu gelangen. Dort gab es einen kleinen, unscheinbaren Winzerstand, der ihrer Meinung nach seit Jahren den besten Glühwein anbot.
Mit den Bechern in der Hand ließen sie ihre Blicke schweifen.
»Ist es nicht schön, mal innezuhalten und das alles auf sich wirken zu lassen?«, fragte Karla und blickte sich verträumt um. »Für mich ist das der schönste Weihnachtsmarkt der Welt!« Karla schien jedes Jahr aufs Neue begeistert zu sein. Und diese Begeisterungsfähigkeit war nur eine ihrer Eigenschaften, die Martin so liebte.
»Wie viele andere hast du denn gesehen?«, fragte er neckend.
»Ich weiß, meine Vergleichsmöglichkeiten halten sich in Grenzen. Aber trotzdem. Das Ganze hat so ein stilvolles Ambiente und ist nicht so ein Sammelsurium von Jahrmarktsbuden. Das ist sicher einmalig.«
»Hast schon recht. Der Markt ist so wie Wiesbaden: schön und einzigartig!«
Die beiden liebten ihre Stadt, in der sie nun schon so lange wohnten. Karla seit ihrer Geburt und Martin seit nunmehr zwanzig Jahren. Ihn hatte es durch eine freigewordene Stelle beim K11 von Göttingen hierher verschlagen.
»Schade, dass Ute und Werner nicht mitgekommen sind«, sagte Karla.
»Ich dachte, wir würden sie vielleicht hier treffen.« Die beiden waren Freunde, die sonst immer das vorweihnachtliche Vergnügen mit ihnen geteilt hatten.
»Nein, dieses Jahr will Ute auf gar keinen Fall auf einen Weihnachtsmarkt gehen. Viel zu gefährlich, sagt sie!«
»Oh, nein! Plagt sie auch die Terrorangst und Bombenfurcht?«
»Ja, genau. Sie sagt, dass die Bundespolizei terroristische Anschläge in Deutschland jederzeit für möglich hält.«
»Jederzeit möglich ist auch, dass mir ein Hund ans Bein pisst.«
Karla lachte, wurde dann aber wieder ernst. Sie selbst machte sich in der Regel nicht viel aus solchen Nachrichten, wusste sie doch genau, dass sie oft genug der journalistischen Jagd nach Sensationen entsprangen. Aber ihre Freundin hatte sehr besorgt geklungen und es tat ihr leid, dass sie aufgrund dieses Medienwirbels auf ihr gemeinsames Event verzichtete.
»Ute meinte, dass Örtlichkeiten mit hohem Symbolwert Ziele werden könnten, oder auch Plätze, die mit westlichen Lebensgewohnheiten zu tun haben.« Fragend blickte Karla ihren Mann an. »Glaubst du, da ist was dran?«
»Man hat in letzter Zeit verschiedene herrenlose Gepäckstücke gefunden, in denen man Bomben vermutet hat. Bis jetzt war alles Fehlalarm. In Düsseldorf haben sie deswegen einen ganzen ICE evakuiert, in Duisburg ein Einkaufszentrum.« Er wiegte nachdenklich den Kopf hin und her. »Also, ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, warum diese mittelalterlichen Religionsfanatiker bei uns zuschlagen sollen. Da wären aus deren Sicht sicher erst mal andere dran. Und so sehen das wohl die meisten, sonst wär es hier nicht so voll.« Martin nahm einen Schluck von seinem Glühwein und versuchte, sich die Hände am Becher zu wärmen. »Das Ganze wird als globale Bedrohung aufgebauscht und kostet etliche Kollegen ihren Weihnachtsurlaub. Die dürfen jetzt vermehrt Streife laufen.«
»Ja, das ist mir auch schon aufgefallen.« Tatsächlich patrouillierten überall, wo größere Menschenmassen zu erwarten waren, verstärkt Polizisten. »Vielleicht ist das nur Panikmache, um den Überwachungsstaat in Deutschland einzuführen.«
»Nach dem Motto: Angst fressen Seele auf.«
»Na dann, fröhliche Weihnachten! Komm!« Karla stellte die Becher zurück auf den Tresen und hakte Martin unter. Schweigsam gingen sie an den Buden vorüber, bis sie an einem Stand, bei dem es unter anderem auch Handschuhe gab, Halt machten. Karla bestand darauf, Martin gefütterte Lederhandschuhe zu kaufen. Seine alten waren recht verschlissen, außerdem konnte er sie hier gut gebrauchen. Seine Finger waren schon eiskalt. Neu behandschuht liefen sie weiter. Während Karla interessiert all die Dinge beäugte, die das weihnachtliche Herz begehrte, hing Martin seinen Gedanken nach. Aber es waren keine guten Gedanken. Die neuen Handschuhe hatten ihn an den Mörder von Peter Bielmann erinnert. Das war ärgerlich. Warum konnte er nicht abschalten? Einfach diese Stunden mit Karla genießen und an schöne Dinge denken? Stattdessen dachte er an medizinische Handschuhe.
Michael hatte schon recht gehabt. Warum benutzte jemand Handschuhe, die für grobe
Weitere Kostenlose Bücher