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Innerste Sphaere

Innerste Sphaere

Titel: Innerste Sphaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Fine
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doch jetzt stand ich vor einer Person ohne wunden Punkt. Aber dann sah ich eine Möglichkeit. Ich nahm den Hauch von Neugierin seinen Augen wahr, als er meinen prüfenden Blick erwiderte. Dezent huschte sein Blick über meinen Körper, über mein Gesicht. Trotz seiner Pflichten als Inquisitor und Wächter hatte er mich gerade taxiert. So sehr ich es hasste, darüber auch nur nachzudenken, so sehr es mich anwiderte, von einem Mann so angesehen zu werden, beschlich mich nun ein hinterhältiger, schäbiger Gedanke.
Vielleicht konnte ich sein Interesse ausnützen, um an die Schlüssel zu kommen …
    Ich schob den Gedanken beiseite und mein Blick wanderte zurück zur Tür, aber im nächsten Moment stand er schon davor. »Nicht, Lela.« Mit einem Knie auf der Sitzfläche des Stuhls hielt er ihn fest. »Du warst draußen auf dem Land – du weißt, wie es dort ist. Willst du nicht zurück?«
    Was sollte ich sagen? Natürlich wollte ich zurück. Ich ließ den Kopf hängen. Unfähig, ihm in die Augen zu schauen.
    »Die meisten Leute hier können es nicht sehen, sogar wenn sie direkt an der Mauer sind. Sie sind so in ihrer eigenen Traurigkeit versunken, dass sie nicht über die Dunkelheit hinaussehen. Aber du kannst es. Du gehörst nach draußen.« Die Sehnsucht in seiner Stimme ließ mich aufblicken. »Ich kann dich zum Gericht führen. Ich werde dich persönlich begleiten.«
    Wie ein Bewährungshelfer. Super. »Ich war früher schon vor Gericht. Keine schöne Erfahrung.«
    »Das wird anders sein, glaub mir. Du kommst auf jeden Fall raus.«
    Ich sah ihn an und fühlte, wie ich ertrank. Wie ich mit Gewichten am Körper in ein bodenloses Meer sank und zusehen musste, wie Nadia sich immer weiter entfernte und unerreichbar wurde, während ich unterging. Jeder hat Grenzen, ich bin da nicht anders. Ich war müde und verängstigt und wollte vor ihm kapitulieren. Es schien, als gäbe es tatsächlich keinen Weg, ihn zu besiegen. Dann fiel mein Blick auf meinen Arm.
    Ich schüttelte den Kopf. »Es gibt keinen Grund, mich hierzubehalten. Ich muss gehen und Nadia finden.«
    Er lachte bitter, machte einen Schritt zurück, nahm dabei das Knie vom Stuhl. »Was denkst du, wo du bist?«, spottete er. »Amerikaner.Eure Auffassung von Bürgerrechten ist wirklich drollig. Hör mal, ich kann dich hier jahrelang einsperren, wenn es mir passt. Aber das werde ich nicht tun. Stattdessen bringe ich dich aus der Stadt, egal ob du willst oder nicht.«
    Jetzt ließ sich der schäbige Gedanke nicht länger verdrängen. Argumente halfen nicht, also musste ich auf so miserable Mittel zurückgreifen. Grauenerregende Mittel. Ich atmete tief ein. »In Ordnung«, sagte ich und umrundete den Stuhl. »Gut. Ich gehe. Danke für deine Hilfe.«
    Er beobachtete mich aus zusammengekniffenen Augen. Ich zwang mich weiterzugehen, die Furcht wuchs mit jedem Schritt. Wollte ich diesen Drachen wirklich reizen? Ich
musste
. Wenn ich seine Schlüssel finden und stehlen konnte, würde ich schon einen Fluchtweg finden. Er blickte auf meine Hand, die sich langsam hob und auf seiner Brust zur Ruhe kam. Ich hoffte, dass ihr Zittern mir zugutekommen würde. Und er es als Begehren und nicht als Furcht interpretierte. Ermutigt von dem kurzen Aussetzen seiner Atmung, von der Art, wie seine Augen sich bei meiner Berührung weiteten, streifte ich mit der anderen Hand über seine Taille, auf der Suche nach dem Schlüsselbund … und fand nichts außer sehr vielen Muskeln.
    Sein Herz pochte unter meiner Hand, ich hoffte, dass seine Hormone die Macht ergreifen und er sich wie ein Teenager benehmen würde und nicht wie ein Wächter. Als ich die Stirn gegen seine Brust lehnte, sah ich Sternchen.
Mach dir jetzt nicht ins Hemd. Das ist für Nadia.
    Seine Finger schlossen sich um mein Kinn und hoben es, bis ich ihm in die Augen schaute. Jeder Muskel in mir spannte sich an. Jetzt nur nicht kneifen. Quälend langsam beugte er sich über mich, bis sein Mund nur noch Zentimeter von meinem entfernt war. Mein Magen überschlug sich, als ich in seine dunklen, gefährlichen Augen sah.
    Bleib ruhig. Du brauchst diesen Schlüssel.
    Mein Atem ging unstet und stoßweise. Ich war mir nicht sicher, ob ich das schaffen würde, ohne zu schreien. Es war zu verwirrend,zu intensiv. Zu nah, zu real, zu unkontrollierbar. Zu gefährlich, zu heiß. Würde er mir wehtun? Würde er grob sein? Beinahe wäre ich zurückgetaumelt, als die Bilder meinen Kopf fluteten.
    Aber ich hatte einige Grobheiten überlebt. Ich

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