Innerste Sphaere
verstreute Außenposten der Wächter in der ausufernden Stadt gab, hatten er und Ana zusätzlich mehrere Wohnungen, wo sie Ausrüstung und Verpflegung verstecken, leichtere Verletzungen verarzten und sich nach langen Patrouillen ausruhen konnten. Diese Wohnung sah nicht viel anders aus als die in der Nähe der Station, wo ich einige Zeit mit Malachi verbracht hatte. Sie hatte ein Schlafzimmer mit einem schmalen Feldbett und einer Kommode. In dem kleinen Wohnzimmer standen eine Couch, ein Kaffeetisch und, auf einem plumpen Tischchen an der Wand, ein Fernseher.
Ich ging zu dem altmodischen Ding und linste dahinter, um zu sehen, wie es eingesteckt war. Bisher hatte ich noch keine elektronischen oder mechanischen Geräte in der Stadt gesehen. Die Straßen und alle Häuser waren mit Gaslampen erleuchtet, Lichtschalter oder Steckdosen hatte ich keine gefunden. Als ich die Rückseite des Fernsehers sah, schauderte ich und fiel fast rückwärts um. Okay, er war mit einer Art Schnur mit der Wand verbunden.
Einer Nabelschnur. Für mich sah es jedenfalls so aus.
Vorsichtig ging ich zurück zur Couch, wirklich,
wirklich
froh, in letzter Zeit nichts gegessen zu haben. Die nächsten Minuten verbrachte ich damit mir einzureden, dass ich nicht im sparsam möblierten Magen eines lebenden, atmenden Wesens hockte.
Ana setzte sich neben mich auf die Couch und folgte meinem Blick zum Fernseher.
»Nichts als Wiederholungen«, sagte sie. »
Drei Mädchen und drei Jungen
. Und jede Menge Werbung für Haarpflegeprodukte.«
»Ernsthaft?«
»Ja. Zumindest in den letzten Jahren.«
Malachi kam aus dem Schlafzimmer, die Rüstung hatte er noch an. Wenn er sie trug, wirkte er zu groß für das Apartment. Er sah, wie wir den Fernseher anstarrten, und lachte.
»Ich war völlig verdutzt, als die ersten in den Wohnungen auftauchten und die Radios ersetzten. Ich schalte sie nie an, aber Ana ist süchtig nach
Drei Mädchen und drei Jungen
.«
Ich beäugte Ana misstrauisch. »Ich hätte dir besseren Geschmack zugetraut.«
Ana schniefte. »Es ist süß. Früher habe ich immer Telenovelas geschaut, aber als mein Englisch besser wurde, bin ich darauf gekommen. Ich will gar nicht wissen, was du sehen würdest, wenn du ihn anschaltest.«
»Wie, du meinst, jeder sieht etwas anderes?«
»Sicher«, sagte Malachi. »Du siehst, was du sehen willst. Aber der Empfang ist nicht wirklich gut.«
»Und sie zeigen nie meine Lieblingsfolgen«, klagte Ana und schleuderte ein Dekokissen auf Malachi.
Ich verdrehte die Augen. Natürlich. Was auch immer du sehen willst, aber es ist verrauscht, andauernd sind Werbeunterbrechungen und die besten Folgen fehlen. Fernsehen in der Hölle.
Malachi machte seinen Schlagstock am Gürtel fest und sah mich an. »Ich mache einen kleinen Rundgang im Osten, damit wir wissen, welche Mazikin-Aktivität wir zu erwarten haben. Wir benutzen die Wohnung als Basislager und durchsuchen morgendie Zone, in Ordnung? Wenn nötig, gehen wir von Tür zu Tür.«
»Danke«, sagte ich leise. Seine Rücksicht fand ich rührend.
Er lächelte mich an, nickte Ana zu und verließ die Wohnung.
Ana stand auf und ging in die Küche. Sie öffnete den Brotkasten in der Ecke und schlug ihn angeekelt wieder zu. Dann durchstöberte sie die Speisekammer und nahm eine Dose mit Gemüse und eine mit Fleisch heraus. Eine Weile suchte sie vergeblich nach einem Dosenöffner, zückte schließlich ein Messer und stieß es in die Dosen. Als die Essensbrocken mit einem unappetitlichen Platschen in eine Schüssel plumpsten, musste ich mich abwenden. Ich wollte nicht, dass Ana sich schlecht fühlte, weil sie dieses Zeug essen musste, also begab ich mich mit meinem aufgewühlten Magen ins Wohnzimmer.
Als ich die Vorhänge aufzog, sah ich gerade noch, wie Malachi die Straße hinunter ging, tiefer hinein in die Zone, seine Schritte federnd und sicher. Ich legte die Stirn gegen das hauchdünne Glas und klammerte mich, so lange es ging, an seinen Anblick.
»Er bleibt nicht lange weg. Mach dir um ihn keine Sorgen«, sagte Ana leise. Ich drehte mich zu ihr um. Einen Löffel in der Hand, stocherte sie in der braunen Pampe herum. »Er weiß, wie man unentdeckt bleibt.«
»Anscheinend wissen doch alle, wer er ist. Sie kennen seinen Namen«, erwiderte ich. Es kam mir so vor, als würde er eine prima Zielscheibe abgeben, und er war allein da draußen, niemand gab ihm Rückendeckung.
»Natürlich kennen sie ihn. Er ist ein Schreckgespenst für die Mazikin. Jahrzehntelang war
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