Innerste Sphaere
er ihr schlimmster Albtraum und bis vor Kurzem hat er es geschafft, ihre Ausbreitung ziemlich einzudämmen.«
»Aber was ist mit dir? Warum kennen sie dich nicht genauso gut? Sie wollten dich rekrutieren, also wussten sie anscheinend nicht, dass du eine Wächterin bist.«
Ana hörte auf, Essen in sich hineinzuschaufeln. »Malachi hat dafür gesorgt. Von denen, die mich gesehen haben, hat keiner überlebt.Er macht alle Verhöre selbst. An die gefährlichsten Orte geht er allein. Es ist besser, weil ich als Lockvogel dienen kann. Das ist jetzt natürlich alles vorbei, weil Sil davongekommen ist.«
Schuldbewusst schloss ich die Augen. »Es tut mir leid, Ana.«
»Irgendwann musste es rauskommen. Mazikin haben ein seltsames kollektives Gedächtnis. Mich erstaunt, dass es überhaupt so lange funktioniert hat. Jedenfalls hat Malachis Bekanntheit auch ihre Nachteile. Die Mazikin werden vorsichtig. Selbst wenn sie ihn entdecken, was unwahrscheinlich ist, greifen sie ihn nicht an, außer sie wären zahlenmäßig weit überlegen.«
Mein Magen machte einen unangenehmen Salto und ich warf Ana einen säuerlichen Blick zu. »Echt toll. Danke für den Hinweis.«
»Lela, dieser Junge kann auf sich aufpassen. Warum machst du es zu deiner Aufgabe, dich um ihn zu sorgen?«
Weil ich mich mehr für ihn interessiere, als ich sollte.
»Ist es nicht – aber sollte es nicht deine sein?«
Ana schüttelte steif den Kopf. »Keine. Chance. Wenn er sich umbringen lässt, dann hat er sich dumm angestellt.«
»Jetzt lügst du aber.«
Ana stieß mit ihrem Löffel nach mir. »Mädel, du hast keine Ahnung, was wir durchgemacht haben, also schlage ich vor, du hältst den Mund.«
Ich verkniff mir weitere Worte. Stattdessen verdrehte ich die Augen und wandte mich wieder dem Fenster zu. Malachi war verschwunden. Ich starrte auf die Stelle, an der er gewesen war.
Ana seufzte. »Hör mal, es tut mir leid. Ich kann es mir nicht leisten, irgendetwas für Malachi zu empfinden. Ich kenne ihn seit fast drei Jahrzehnten und wir haben die ganze Zeit zusammen geblutet, gelacht und gekämpft. Er ist wie ein Bruder für mich. Aber Geschwisterliebe kann ich ihm nicht entgegenbringen. Wenn ich es täte, würde ich es nicht überleben. Verstehst du das? Er wird entweder gehen oder sterben. In beiden Fällen ist er weg.«
Anas Stimme zitterte und ich hörte die Tränen, die sie nicht vergießen würde. Ich beschloss zu riskieren, mit dem Löffel ausgeweidet zu werden. »Du sprichst jetzt nicht mehr von Malachi.«
Die Schüssel fiel klappernd in die Spüle.
»Gut. Du willst es hören? Von mir und Takeshi? Lass es dir eine Lehre sein, denn glaub mir, ich sehe genau, was zwischen dir und Malachi abgeht.« Sie bemerkte, wie ich den Mund aufmachte, um zu protestieren. »Sei ruhig und hör zu.
Erst mal musst du eins kapieren: Ich komme von einem richtig üblen Ort. El Salvador ist nicht wie Amerika. Nachdem mein Papa gestorben war, arbeitete meine Mutter von früh bis spät auf den Feldern und ich auch. Ich war noch keine Achtzehn und mein Rücken und meine Hände schmerzten so sehr, dass ich mich manchmal überhaupt nicht bewegen wollte. Ich sah meine Mama an, die sich den Rücken krumm schuftete, und ich wusste, das war meine Zukunft. Aber ich wusste auch, wie groß die Welt war – meine Eltern ließen mich auf die Missionsschule gehen, als ich ein kleines Mädchen war. Sie haben es später vielleicht bereut – denn ich suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, von Rancho Viejo wegzukommen.
Die Männer von der Nationalen Befreiungsfront hatten ein Basislager in den Bergen außerhalb der Stadt. Meine Mama hatte mich vor ihnen gewarnt, aber sie waren nett zu mir, wenn ich beim Wasserholen an ihnen vorbeiging. Sie erzählten mir von einem besseren Leben und das war der Ausweg, den ich gesucht hatte. Ich begann mich nachts fortzustehlen, um sie zu besuchen.«
Sie lächelte mich traurig an. »Sie zeigten mir ein paar Tricks für den Nahkampf. Nie hätte ich geglaubt, dass ich das brauchen könnte, aber es gab mir das Gefühl, etwas Kontrolle über mein Leben zu haben. Über mich selbst. Ich gab ihnen nicht viel im Gegenzug. Nur ein paar Tortillas und Bohnen. Meine Mutter wäre richtig wütend gewesen, wenn sie es gewusst hätte. Und weißt du was? Sie hätte recht gehabt. Denn wenige Monate später kam die Todesschwadron. Sie beschuldigten uns, den Guerillas geholfen zu haben. Keiner wusste, wovon sie sprachen. Keiner außer mir. Aber ich sagte nichts,
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