Ins Eis: Roman (German Edition)
er, kurz bevor die Tür hinter ihm zuschlug.
Einen Moment herrschte Stille. Dann sprang Monika in die Bresche, drängte alle zurück an den Tisch und zu einem zweiten Stück Torte. Kirsten entschuldigte sich derweil bei Ingrid für diese hässliche Episode. Um deren Mundwinkel zuckte es. »Ehrlich gesagt fand ich das recht interessant, auch wenn ich nicht verstanden habe, um was es ging.«
»Ich glaube, da gibt es auch nicht viel zu verstehen. Ich spreche zwar die Sprache, aber verstanden habe ich es auch nicht.«
»Nun, deshalb ist dies ja auch eine Familienfeier, nicht wahr?«
Das brachte Kirsten zum Lachen. »Du hast recht«, stimmte sie zu, »deshalb ist es eine Familienfeier. Herzlich willkommen bei Warthenberg & Stolt.«
Es gelang Kirsten, noch in derselben Nacht ein Gespräch mit Monika unter vier Augen zu führen. Die Uhr hatte gerade zwei geschlagen, sie standen vor den großen Fenstern des Hotels mit Blick auf die Winternacht über dem Isfjord. Draußen schneite es leicht, und sie waren allein. Kirsten fragte ihre Schwägerin, ob sie wisse, weshalb Tobias überhaupt mitgekommen sei.
»Tanja wollte es so. Sie hat wohl gehofft, sie würden es schaffen, eine Woche auf glückliche Familie zu machen. Tanja ist sich durchaus bewusst, dass sie, Hartmut und Tobias jetzt, wo du Kristoffer verloren hast, die einzige Kleinfamilie unter uns stellen: Vater, Mutter, Kind. Ich denke, sie glaubt, das gäbe ihr eine Art moralische Überlegenheit.«
Kirsten legte einen Arm um Monikas Taille. Ihre Schwägerin hatte sich zum Abendessen in einen festlichen schwarzen Rock geworfen und trug dazu einen Pullover aus dunkelroter Seide. Das Material schmeichelte Kirstens Handfläche, wie es fast alle Kleidungsstücke ihrer Schwägerin taten.
»Was macht das Adoptionsverfahren, Monika? Läuft es?«
Erland und Monika hatten sich vor sechs Monaten auf eine Adoptionsliste setzen lassen, nachdem sie die Hoffnung auf eigene Kinder hatten aufgeben müssen. Soweit Kirsten wusste, hatten sie niemandem außer ihr von dieser Entscheidung erzählt. Monikas Vertrauen hatte sie sehr gefreut.
Monika seufzte. »Es braucht Geduld.«
»Weiß Fredrik von euren Absichten?«
»Nicht dass ich wüsste. Ehrlich gesagt weiß ich auch nicht genau, was er dazu sagen würde.«
»Er würde euch unterstützen.«
»Bist du sicher? Fredrik ist in manchen Dingen so altmodisch blutsgetrieben.«
Kirsten wickelte sich eine Haarsträhne um den Zeigefinger, den Kopf grübelnd zur Seite geneigt. »Wusstest du, dass Elisabeth glaubt, Ingrid Solberg wäre Fredriks uneheliche Tochter?«
Mit großen Augen lehnte sich Monika gegen die Fensterfront. »Was?«, fragte sie ungläubig. Kirsten berichtete ihr von ihren Unterhaltungen mit Ingrid, Fredrik und Elisabeth. Am Ende pfiff Monika leise durch die Zähne.
»Nun, ich kann auf jeden Fall verstehen, weshalb Elisabeth so etwas annimmt.«
»Hat Erland dir jemals von Ingrid erzählt?«
»Nicht mehr als du wohl auch von Kristoffer gehört hast. Einen Satz hie und da, alles vor vielen Jahren. Als ich erfuhr, sie würde zum Geburtstag kommen – und das war erst letzte Woche –, habe ich Erland etwas gelöchert, aber es kam nicht mehr dabei heraus. Ihn schien die Einladung nicht zu verwundern, aber Männer wundern sich ja prinzipiell weniger. Sie interpretieren weniger.«
»Ganz im Gegenteil zu Elisabeth. Du hättest erleben sollen, wie aufgebracht sie war. Ich kapiere nicht, weshalb die Sache sie so umtreibt. Selbst wenn es stimmt, war sie doch bei Ingrids Geburt selbst noch ein Kind. Fredrik hat nicht Elisabeth betrogen, sondern seine erste Frau. Abgesehen davon hat Fredrik ohnehin zwei Söhne mit in die Beziehung gebracht, welchen großen Unterschied macht da eine Tochter am Ende der Welt? Falls Ingrid denn tatsächlich seine Tochter ist, das sind ja alles nur Vermutungen.«
Monika strich mit den Fingerspitzen über die Fugen zwischen Glas und Fensterrahmen. »Du denkst in die falsche Richtung, Kirsten«, sagte sie leise. »Es geht Elisabeth nicht um Persönliches, würde ich wetten, sondern um was es in dieser Familie immer geht: die Bank.«
»Die Bank?«
»Fredrik ist persönlich haftender Gesellschafter. Er hält mittlerweile stattliche Anteile an der Bank, die bei seinem Tod zur Hälfte an seine Frau gehen. Die andere Hälfte erben Fredriks Kinder. Ich vermute, dass Elisabeth nach Fredriks Tod versuchen wird, diese Anteile zu nutzen, um zusammen mit Hartmut die Bank kontrollieren zu können. Momentan
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