Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
Ayurvedaklinik?«
Sie wählte noch einmal die Nummer. Vielleicht hatte sie vorschnell aufgelegt und relevante Informationen verpasst? Diesmal hörte sie die Ansage bis zum Ende ab, aber zu keinem Zeitpunkt wurde auf eine andere Telefonnummer oder auf den Standort der Klinik hingewiesen.
Ein leiser Verdacht stieg in ihr auf. War Melitta Wiek wirklich in Indien? Oder wartete sie in Berlin auf ihren Sohn, und diese Telefonnummer war reiner Schwindel? Hatte sich Melitta deshalb ihr gegenüber so abwehrend gezeigt, als sie die Haushälterin nach einer Nummer für den Notfall gefragt hatte?
Wenn ich schon im Internet recherchiere, dachte Pippa, kann ich auch gleich nach Severins Aufenthaltsort schauen …
Sie hatte sich den Namen Martin Buser gemerkt. Sie gab ihn ein und fand nicht nur Wikipedia-Einträge in Deutsch und Englisch, sondern eine Vielzahl weiterer Informationen: über seine Siege beim Iditarod-Rennen, über Busers Schlittenhundezucht »Happy Kennels« sowie über die Frühstückspension, in der Severin sich für zwei Wochen eingemietet hatte.
Merkwürdig, dass Severins Urlaubsziel so leicht aufzuspüren ist, während es zu Melittas Aufenthaltsort überhaupt keine Hinweise gibt. Wieder griff Pippa zum Telefon, dann zögerte sie kurz, weil Brusche mittlerweile bestimmt in Alaska angerufen hatte. Würde es komisch aussehen, wenn sie es jetzt auch noch versuchte?
»Unsinn, ich will Gewissheit haben«, murmelte sie und wählte die Nummer, die sie mit Big Lake, Alaska, verbinden sollte.
Eine angenehme Frauenstimme meldete sich und fragte auf Englisch, womit sie helfen könnte. Im Hintergrund hörte Pippa frenetisches Hundegebell, und die Frau erklärte lachend, dass die Tiere so aufgeregt seien, weil einige von ihnen gerade für den Schlitten ausgewählt würden.
»Sie können es nicht abwarten, ins Geschirr zu kommen«, sagte die Frau. »Sprechen wir einfach etwas lauter. Was kann ich für Sie tun?«
Innerlich pries Pippa einmal mehr die Tatsache, dass Englisch ihre zweite Muttersprache war. »Ich würde gerne mit Severin Lüttmann reden.«
»Das kann ich mir denken«, sagte die Frau. »Die Herrschaften werden gleich mit dem Schlitten abgeholt, der eben angeschirrt wird. Wenn Sie in etwa einer Stunde anrufen, können Sie gratulieren!«
»Gratulieren?«, fragte Pippa verdutzt. »Hat Herr Lüttmann an einem Schlittenhunderennen teilgenommen und gewonnen?«
Die Frau lachte schallend und prustete: »So kann man es auch nennen. Interessanter Vergleich! Immerhin ist er bei der Dame auf jeden Fall als Sieger durchs Ziel gegangen. Severin Lüttmann hat heute Morgen geheiratet! Seine Melitta.«
Pippa schaffte es trotz ihrer Verblüffung gerade noch, sich zu bedanken, dann legte sie verdattert auf. Minutenlang blieb sie an Florians Schreibtisch sitzen, bevor sie sich aufraffen konnte, zurück zum Herrenhaus zu gehen, um Christabel diese Botschaft zu überbringen.
Als Pippa an Haus Nummer 2 vorbeiging, traten Mandy Klöppel und Zacharias Biberberg aus der Tür. Die junge Frau war elegant gekleidet, machte aber nicht den Eindruck, als freute sie sich darauf, mit dem Bürgermeister auszugehen.
»Das wurde aber auch Zeit«, rief Daria Dornbier den beiden zu. »Ich dachte schon, ich muss die Nacht hier draußen verbringen.«
Was wird das hier, dachte Pippa, eine große Koalition? Warum geht Mandy mit?
»Lasst euch so viel Zeit, wie ihr braucht, um heute noch zu einem ordentlichen Ergebnis zu kommen«, sagte Daria Dornbier, als die beiden ins Auto stiegen. »Und mach dir um Lucie keine Sorgen, Mandy, die ist bei mir in den besten Händen.«
Sie stolzierte den kurzen Weg durch den Vorgarten zum Haus. Ihr schwarzer Lackmantel und die hochhackigen Stiefel im Leopardenmuster glänzten im Licht der Außenlampe, die über der Haustür leuchtete.
Schlagartig fiel Pippa ein, wo sie dieses außergewöhnliche Ensemble schon einmal gesehen hatte: auf dem Bahnhofsvorplatz in Wolfsburg, am Tag ihrer Ankunft.
Solche Stiefel vergisst man nicht, und ich glaube nicht an Zufälle, dachte Pippa. Hast du dich am Bahnhof etwa mit Gabriele Pallkötter getroffen? Mich würde gar nichts mehr wundern.
An der Oberfläche präsentierte sich das Storchendreieck so glatt wie ein friedlicher See, aber warf man einen Stein hinein, schlug er sofort Wellen oder ließ stinkenden Schlamm nach oben steigen. Oder hatten die Ereignisse der letzten Tage sie dazu gebracht, selbst hinter zufälligen, harmlosen Begegnungen Verschwörungen und Intrigen
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