Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
zu wittern? Andererseits wurden immer wieder echte Geheimnisse aufgedeckt – wie das von Severin und Melitta, von dem sie Christabel berichten musste. Daria Dornbiers Machenschaften standen derzeit nicht an erster Stelle.
Aber wir sprechen uns noch, dachte sie, ganz sicher. Ich will wissen, wo ich solche Stiefel bekomme.
Pippa rannte zurück zum Gutshaus und stürmte ins Wohnzimmer.
»Himmel, wo sind Sie denn so lange gewesen?«, rief Brusche sofort. »Wir haben gerade mit einer Mitarbeiterin von Martin Buser gesprochen. Gott sei Dank konnte sie Deutsch, genau wie ihr Chef.«
»Herr Brusche hatte Bedenken wegen seiner lückenhaften Englischkenntnisse«, warf Christabel ein, »aber ich erklärte ihm, dass Martin in der Schweiz geboren und aufgewachsen ist.«
Brusche nickte. »Die Herren sind gerade außer Haus, hat die nette Dame gesagt. Aber sie rufen zurück.«
Willkommen zur Märchenstunde, dachte Pippa, aber mit mir nicht mehr.
»Nicht ihr, sondern ich habe mit Happy Kennels telefoniert. Und diese Dame konnte kein Deutsch. Ich schätze, ihr hattet irgendeine Alibiagentur an der Strippe. Engagiert von Melitta und Severin … um ihre Pläne geheim halten zu können, denn …«, sie holte tief Luft, »die beiden sind gemeinsam nach Alaska geflogen – und haben heute geheiratet.«
»Oh«, sagte Christabel – aber es klang kein bisschen überrascht.
Kapitel 27
P ippa stand im Wohnzimmer vor der Stereoanlage und suchte vergeblich nach der ausgewählten Tagesmusik.
Kein Wunder, dachte sie, der gestrige Abend war so aufregend, dass Christabel nicht einmal mehr ihrem liebgewonnenen Ritual folgen und CDs herauslegen konnte.
Nach kurzem Zögern wählte Pippa deshalb britische Komponisten aus, denn eine Erinnerung an ihre zweite Heimat bot Christabel und ihr neutraleren Gesprächsstoff als die verwirrenden Zusammenhänge zwischen Florian, seiner Mutter, Severin und Hollweg, und Pippa wollte zusätzliche Aufregung vermeiden.
Sie beschloss, Christabels Frühstückstablett nicht wie sonst mit dem Treppenlift nach oben zu bringen, denn im Gästezimmer des ersten Stocks schlief Florian. Nachdem Kommissar Seeger gnädig zugestimmt hatte, dass der junge Mann bei Christabel übernachten durfte, sollte er jetzt nicht vorzeitig vom surrenden Motor oder von klapperndem Geschirr geweckt werden.
Der Arme, dachte Pippa, welche Bürde hat er in den letzten Wochen mit sich herumgetragen. Das kann nicht einfach gewesen sein.
Sie horchte kurz an seiner Tür, aber es war kein Laut zu hören. Florian schlief offenbar noch immer den tiefen Schlaf der Erleichterung.
Ein Stockwerk höher fand Pippa die alte Dame trotz der Musik noch schlummernd vor.
Christabel wachte erst auf, als Pippa die Vorhänge aufzog und Tee einschenkte.
»Guten Morgen, Christabel. Möchten Sie lieber noch einen Moment allein sein?«, fragte Pippa.
Christabel setzte sich aufrecht hin und nahm das Tablett entgegen. »Bei so schöner Musik würde ich in der Tat zu gern noch ein wenig dösen. Exzellent ausgewählt, meine Liebe. Aber ich denke, wir haben heute zu viel vor und sollten umgehend mit unserem Tagwerk beginnen. Unangenehme Dinge werden nicht einfacher, indem man sie vor sich herschiebt.« Sie trank einen Schluck Tee und sah aus dem Fenster. »Mich bekümmert, dass ich nur reagieren kann. Alle Maßnahmen, die ich ergreife, kommen immer ein klein wenig zu spät, weil ich die Böswilligkeit der Menschen unterschätze. Ganz zu schweigen von der Kraft der Motive, die sie antreiben. Ist auch das eine Art von Schuld, Pippa? Ist das meine Schuld? Habe ich bei allem zu lange zugesehen?«
Spricht sie von früher?, fragte sich Pippa. Heute kann sie nicht meinen – heute macht ihr doch niemand mehr etwas vor, oder?
Christabel seufzte und fuhr fort: »Meine Namenspatronin hätte sich niemals so ins Bockshorn jagen lassen, wie ich es all die Jahre getan habe. Sie suchte die Konfrontation zwar nicht, sah dazu aber auch keine Alternative, wenn sie ihre Ziele erreichen wollte. Sie scheute nicht einmal vor handgreiflichen Auseinandersetzungen zurück – sonst wären wir Frauen nicht, wo wir heute sind.«
»Ich würde niemals die Fenster von Geschäften mit Steinen einwerfen«, sagte Pippa. »Selbst heute noch würde man Christabel Pankhurst und ihre Mitstreiterinnen als radikal bezeichnen. Und das, obwohl inzwischen hundert Jahre vergangen sind.«
»Die Wahl dieser Mittel muss nicht jedem gefallen«, erwiderte Christabel, »aber glauben Sie, die Frauen
Weitere Kostenlose Bücher