Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
tragischen Unfällen aus.« Sie sah Pippa erwartungsvoll an.
Nur mühsam konnte Pippa sich zügeln. Auf keinen Fall wollte sie der Trüffeldiebin die Genugtuung geben, neugierig nachzufragen, welche Geschichten hinter ihren Andeutungen steckten.
Aber Doktor Wegner schüttelte bereits verärgert den Kopf. »Das ist Jahre her, Frau Pallkötter. Das war lange vor Christabels Zeit.«
»Aber es ändert nichts an der Tatsache«, sagte diese triumphierend, »dass Frau Gerstenknecht genau weiß, wie man aus tragischen Unfällen optimalen Gewinn zieht.«
»Sie ist eine ehrliche und gerechte Geschäftsfrau!«
»Ihre Loyalität ehrt Sie, Doktor Wegner.« Gabriele Pallkötter legte ihre Hand besänftigend auf seinen Arm. »Aber wir alle wissen doch auch, dass Ihnen nichts anderes übrigbleibt.«
Pippa fing den peinlich berührten Blick des jungen Arztes im Rückspiegel auf. Sie lächelte ihm zu, um ihm zu signalisieren, dass sie nichts auf das Geschwätz der Frau gab.
Meissner, Sie und Ihre dummen Großtrappen, dachte sie, wieso mussten Sie gerade jetzt krank werden? Wie es aussieht, hätte ich Ihre Einführung in den Storchwinkeler Mikrokosmos mehr als nötig gehabt!
»Es ist, wie es ist: Christabel Gerstenknecht weiß selbst aus Gräbern Kapital zu schlagen«, beharrte Gabriele Pallkötter. »Sonst würde die Gartenzwergmanufaktur jetzt nicht ihr gehören, sondern Severin Lüttmann junior.«
Die scharfe Stimme der Beifahrerin drang in Pippas Gedanken wie ein Messer in weiche Butter. Zu ihrem Ärger erkannte Pippa, dass die geschwätzige Frau langsam, aber sicher erreichte, was sie offenbar vorhatte: bei Pippa Zweifel an ihrer Auftraggeberin zu säen, indem sie ein ganz bestimmtes Bild von der alten Dame zeichnete. Ein nicht sehr vorteilhaftes Bild, wie Pippa leicht verunsichert zugeben musste. So unangenehm es ihr auch war: Ihre Phantasievorstellung von einer zarten alten Dame, die mit ihren neunundneunzig Jahren eine ständige Aufsicht brauchte, um ihren Tag gefahrlos zu bewältigen, löste sich auf. Und das, bevor sie Christabel Gerstenknecht persönlich begegnet war!
»Aber ich fühle mich gar nicht wohl damit, dass wir hier so fröhlich miteinander plaudern, wo doch heute der arme Herr Bornwasser beerdigt wird.« Die Stimme von Gabriele Pallkötter troff für einen Moment von scheinheiliger Pietät.
Fröhlich?, dachte Pippa gallig. Das nennt die fröhlich? Wie giftig ist sie denn erst, wenn sie ernst ist?
»Was meinen Sie, Doktor Wegner, warum hat es so lange gedauert, bis die Polizei Bornwassers Leiche freigegeben hat?«, plapperte die Frau unverdrossen weiter.
»Sind zwei Wochen lang?«, gab der junge Arzt desinteressiert zurück, ohne den Blick von der Straße zu wenden. »Kam mir jetzt nicht ungewöhnlich lang vor. Immerhin hat man doch erst überall nach Hinterbliebenen gesucht. Aber vermutlich sehen Laien das anders.«
Gabriele Pallkötter schnappte hörbar nach Luft. Sie presste die Lippen zusammen und sah stumm nach vorne.
Endlich Ruhe, dachte Pippa und kicherte lautlos in sich hinein. Mit etwas Erfahrung und Übung bekommt man die Dame also in den Griff.
Maik Wegner setzte den Blinker und bog von der Straße ab. Sie fuhren eine leichte Anhöhe hinunter auf ein malerisch gelegenes Dorf zu. Auf den Dächern mehrerer Gehöfte entdeckte Pippa wagenradgroße Nester.
»Storchennester!«, rief Pippa begeistert. »So viele auf einmal habe ich noch nie gesehen! Das sind ja eins, zwei, drei … sieben Stück! Das ist phantastisch.«
»Sie befinden sich hier mitten im sogenannten ›Storchendreieck‹«, erklärte Maik Wegner stolz. »Warten Sie nur ab. Irgendwann in den nächsten Tagen werden unsere Störche eintreffen. Für den Besitzer des Nestes, in das der erste Storch heimkehrt, wird jedes Jahr ein Preis ausgeschrieben. Gestiftet von Frau Gerstenknecht.«
Pippa war nach Gabriele Pallkötters Ausführungen angenehm überrascht über diesen sympathischen Zug ihrer Arbeitgeberin, blieb aber misstrauisch. »Und was bekommt der Sieger? Einen Gartenzwerg?«
Der Doktor lachte und schüttelte den Kopf. »Das weiß man vorher nicht. Es ist jedes Jahr ein großes Geheimnis. Aber sobald der Storch gelandet ist, wird es verkündet. Und wie durch ein Wunder entspricht der Preis immer einem großen Wunsch des Gewinners, den er sich selbst nicht leisten kann. Keine Ahnung, wie sie das macht.«
»Können Sie Beispiele geben?«, fragte Pippa neugierig.
»Ich bin noch nicht sehr lange hier«, sagte Maik Wegner,
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