Ins Gras gebissen: Ein neuer Fall für Pippa Bolle (Ein Pippa-Bolle-Krimi) (German Edition)
sind?«
»Wahrscheinlich, weil er ihr nicht nach dem Munde redet. Und vermutlich hält sie ihn in seiner Verrücktheit für normaler als den ganzen Rest um sie herum.«
Sie lächelten sich zu und setzten ihren Weg fort. Von Zeit zu Zeit erklang ein Plätschern im Wasser oder der Schrei einer Krähe, aber Pippa fühlte sich mit dem Kommissar an ihrer Seite sicher. Dies war eine gute Gelegenheit, ihn einige Dinge zu fragen, die ihr unter den Nägeln brannten.
»Wie und wo Bornwasser gestorben ist, weiß ich jetzt. Können Sie mir noch etwas zu Waltraut Heslich sagen? Ich musste sie ja leider selbst sehen, als sie … Ich weiß nicht, aber auf mich wirkte die Szenerie irgendwie seltsam, so als habe die Frau sich durch Unvorsichtigkeit selbst verbrannt.«
Seegers Gesicht wurde hart. »Genau … und zwar nur sich selbst.«
Was meint er damit?, dachte Pippa, aber dann dämmerte es ihr. »Jemand hat dafür gesorgt, dass der Brand sich auf Frau Heslich beschränkte?«
Seeger nickte ernst. »So grauenhaft das klingt: Es muss jemand dabei gewesen sein, der eine Ausbreitung des Feuers verhinderte.«
Während Pippa schluckte, fuhr er fort: »Alles deutet auf hervorragende Planung hin. Nicht nur, dass die bei den Opfern gefundenen Gartenzwerge geheime Prototypen waren – sie wurden überdies sorgfältig ausgewählt.«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Ihnen würden die Parallelen auffallen, wenn Sie so viele Leute befragt hätten wie ich. Jeder Einzelne hat im Gespräch über Harry Bornwasser gesagt, der Gerichtsvollzieher habe sich durch Gier und Eitelkeit ausgezeichnet. Selbst seinen Storchenturm hat er nur aufgestellt, um auch am Wettbewerb um den ersten Storch teilnehmen zu können. Er bekam also den Hals nie voll und wollte immer hoch hinaus. Und wo wurde sein Zwerg gefunden?«
»Oben im Storchennest.«
»Sehen Sie? Frau Heslichs Zwerg ist die personifizierte Schadenfreude und Häme, und bei beinahe jeder Befragung wurde erwähnt, dass dies die hervorstechenden Charakterzüge dieser Frau waren. Sie hatte großes Vergnügen daran, den Betroffenen deren persönliche Niederlagen immer wieder unter die Nase zu reiben, noch jahrelang.«
»Aber hätte dem Mörder dann nicht daran gelegen sein müssen, die Opfer mit ihren Zwergen zu konfrontieren? Das war aber nicht der Fall, denn beide Zwerge tauchten erst nach dem Tod der beiden auf – und nicht an den Tatorten.«
»Das ist richtig. Aber vielleicht sollen die Zwerge eine Warnung für andere sein. Oder die Tat rechtfertigen. Oder beides.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Pippa bestimmt. »Die Sprechfunktion bei Frau Heslichs Wichtel war nicht aktiviert, erinnern Sie sich? Das hat erst Florian gemacht. Bis auf ein paar Leute wusste auch niemand, dass es diese Funktion überhaupt gibt, denn Lüttmanns Lütte Lüd will die Bewegungsmelder erst jetzt auf den Markt bringen. Ich glaube, die Zwerge haben eine andere Bedeutung – und vielleicht nicht einmal etwas mit dem Täter selbst zu tun.«
»Sie meinen, der Wichteldieb wollte auf diese Weise den Verdacht auf jemanden aus der Manufaktur lenken?«
»Wäre möglich. Auf jeden Fall schadet eine Verbindung zu den Morden dem Ruf der Firma und lässt ihren Wert sinken, besonders wenn die neue Kollektion unter diesen Umständen jetzt auch noch vorzeitig bekannt wird.«
Seeger nickte. »So kann man Christabel Gerstenknecht auch fertigmachen. Der Mörder muss nicht immer töten.«
Kommissar Seeger und Pippa hatten die Einfahrt des Gutshauses erreicht und erblickten Christabel, die in der offenen Haustür stand und mit Gabriele Pallkötter diskutierte. Selbst aus etlichen Metern Entfernung war zu erkennen, dass die Pallkötter die sichtlich genervte Christabel zu umschmeicheln versuchte.
»Ich muss los, wir reden ein anderes Mal weiter«, sagte Seeger eilig und gab Pippa den Schlüssel vom Storchenkrug. »Wenn Sie den bitte Frau Gerstenknecht geben würden?«
»Wann ist unser nächstes konspiratives Treffen?«, raunte Pippa ihm zu.
Über Seegers Gesicht huschte ein Lächeln. »Immer zwischen zwölf und dreizehn Uhr, wenn Sie wollen, an Sonn- und Feiertagen gerne auch länger. Sie finden mich im Vogelbeobachtungsstand bei den Teichen. Dorthin gehe ich täglich, um meinen Kopf zu klären und meine Zukunft zu üben.«
»Sie üben Ihre Zukunft?«
»In einem Monat bin ich Pensionär. Es wird Zeit für ein Hobby, und Vogelbeobachtung steht in der engeren Auswahl.« Er versuchte, fröhlich zu klingen, aber es gelang ihm
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