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Ins Leben zurückgerufen

Ins Leben zurückgerufen

Titel: Ins Leben zurückgerufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sekundärer Krebserreger ein und sagte: »Ich will wieder glücklich sein.«
    »Wieder?«
    »Wie früher.«
    »Sie meinen, wie in dem goldenen Zeitalter, als die Sommer lang und heiß waren und man das Gefühl hatte, daß sie nie enden würden?«
    »Nein. Nicht die Kindheit. Ich spreche über erwachsenes Glücklichsein.«
    Pottle sah ihn zweifelnd an.
    »Sie wissen, was Johnson über Leute sagte, die behaupteten, glücklich zu sein? Reiner Quatsch. Der Hund weiß, daß er die ganze Zeit unglücklich ist.«
    »Wenn Sie mir weiter nichts zu bieten haben, als daß wir alle im selben Boot sitzen, dann verstehe ich vielleicht, warum Sie sich zu Tode rauchen.«
    »Sieh mal einer an«, erwiderte Pottle. »Sagen Sie mir, welche Form Ihr Unglücklichsein hat.«
    »Nachts liege ich wach und mache mir um einfach alles unter der Sonne Sorgen. Ich sehe nicht den geringsten Sinn in egal was. Panikattacken. Wie sieht es aus, laufe ich noch immer im Mittelfeld?«
    »Und was halten Sie für die Ursache dieser Störungen, oder einer davon?«
    »Muß ich mich selbst analysieren? Weil ich nicht privat versichert bin?«
    »Worüber sind Sie denn so wütend?« fragte Pottle sanft.
    »Ich bin ja gar nicht wütend!« rief Pascoe. »Ich bin nur verärgert … Hören Sie, ich habe im Augenblick ziemlich viel um die Ohren, könnten wir nicht … Oh, Scheiße. In Ordnung. Also. Warum bin ich wütend? Nun, wütend zu sein ist besser als … Es hat wohl etwas damit zu tun, Herr der Lage zu sein. Ich habe die Dinge nicht mehr in der Hand. Zuerst waren es Äußerlichkeiten. Wie sie so in Beziehungen vorkommen, zwischen mir und Ellie. Wir sind getrennt. Ich meine nicht nur körperlich, das Körperliche ist nur ein Schritt auf dem Weg zum Eingeständnis, sondern seit langem entfernen wir uns immer weiter voneinander. Wir haben uns beide bemüht, zumindest weiß ich, daß ich mir Mühe gegeben habe, nein, das ist nicht fair, sie hat sich auch Mühe gegeben. Und da stehen wir nun. Zwei intelligente Menschen, die sich wirklich redlich bemühen, etwas zustande zu bringen, das sie beide verzweifelt gern wollen, es aber nicht schaffen, weil … weil – warum? Weil – was?«
    »Sagen Sie es mir«, sagte Pottle.
    »Ich glaube, sie gibt mir die Schuld wegen ihrer Freundin, Sie wissen doch, diese Selbstmordgeschichte, die Frau, die vom Turm der Kathedrale gesprungen ist. Sie sagt, dem sei nicht so, aber ich glaube, es ist doch so.«
    »Und Sie? Machen Sie sich Vorwürfe?«
    »Ich habe mir welche gemacht. Ich habe Gott und der Welt Vorwürfe gemacht. Dann dachte ich, ich mache mir keine mehr, ich dachte, ich hätte die Sache im Griff. Es sei eine freie Entscheidung gewesen, und welches Recht hätten wir gehabt, uns einzumischen? Wo käme also die Schuld ins Spiel?«
    »Das klingt vernünftig.«
    »Vernünftig?«
fragte Pascoe verbittert. »Ich erinnere mich an
vernünftig
. So eben. Vernunft bedeutet, die Dinge im Griff haben, stimmt’s? Ich, ich habe Beziehungen nicht mehr im Griff, ich habe die Ereignisse nicht mehr im Griff, und schließlich war es soweit, daß ich mich selbst nicht mehr im Griff hatte. Ich wache nachts auf, und die banalsten Sorgen fallen mich an wie ein wahnsinniger Rottweiler. Oder schlimmer noch, ich gehe am hellichten Tag meiner Arbeit nach und bin aus heiterem Himmel zu Tode erschrocken, die ganze physische Welt wird mir zur Bedrohung. Ich bin noch nicht einmal mehr Herr über meine Muskeln, Herr im Himmel!«
    »Waren Sie beim Arzt?«
    »Nun seien Sie nicht albern! Glauben Sie, er würde mich als arbeitsfähig bezeichnen, wenn ich ihm das erzähle, was ich Ihnen jetzt erzählt habe?«
    »Vielleicht nicht. Halten Sie sich denn für arbeitsfähig?«
    »Arbeitsfähig?« sagte Pascoe langsam. »Das weiß ich nicht. Aber ich weiß, daß ich die Arbeit brauche. Waren es nicht Ihre Kollegen, die die Beschäftigungstherapie erfunden haben?«
    »Nein. Wie Sie und ihre Kollegen erfinden wir nicht, sondern beobachten. Und noch eine Regel haben wir gemeinsam, und die lautet, daß man die einfache Erklärung nicht von vorneherein verwerfen soll. Es ist immerhin möglich, daß es eine körperliche Erklärung für eines Ihrer Symptome gibt. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt. Erwähnen Sie mich, so daß er Sie an mich überweisen kann. Auf diesem Weg können Sie auf Kosten des staatlichen Gesundheitsdienstes zu mir kommen. Nutzen Sie die Chance, solange es geht, wie die Leute auf der Titanic, die ihren Pudding noch zu Ende gegessen haben.«
    Pascoe

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