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Ins Nordlicht blicken

Ins Nordlicht blicken

Titel: Ins Nordlicht blicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cornelia Franz
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Bett schwankte, rollte im Rhythmus des Meeres, ihm wurde schwindelig, als er die Augen schloss. Weil sich das Land bewegt hat ...... wie aus einer vergangenen Zeit ... sie haben Risse bekommen ... Erinnerungen tauchten auf, Worte, Bilder, Gefühle versanken wieder, bevor er sie halten konnte. Schweißgebadet lag er da, unfähig, sich zu bewegen, die Glieder schwer, als wären sie aus Stein.
    Bevor er in den Schlaf sank, durchzuckte ihn ein Gedanke, der ihn zurückrief. Er hatte sich überhaupt nicht von Shary verabschiedet und ihr viel Spaß auf der Wanderung gewünscht. Als das Schiff anlegte, hatte er sie völlig vergessen. Das Land meiner Eltern gibt es nicht mehr, natürlich, das hatte sie gesagt. Vielleicht traf er sie auf der Rückreise wieder, dann konnte sie ihm erzählen, was für ein Land sie gefunden hatte.

Nuuk, Grönland, Frühjahr 2011
    »Wir sollten mal loslegen, Pakku. Vielleicht kannst du endlich mal googeln, wo wir am besten die Imkerausrüstung herkriegen.« Mein Vater saß mir am Küchentisch gegenüber und drehte sich eine Zigarette. Die trockenen Krümel fielen auf die Wachstuchtischdecke und blieben dort wie ausgerissene Spinnenbeine kleben. Er hatte genau den Spritpegel, den er brauchte, um auf Hochtouren zu laufen. Und an diesem Nachmittag nutzte er das, um mir ein schlechtes Gewissen zu machen, weil unser Bienenprojekt nicht so richtig in Schwung kam.
    »Mach du das doch«, antwortete ich müde.
    »Würde ich ja, aber du blockierst doch jeden Abend den Computer. Was spielst du da eigentlich?«
    »Alles Mögliche. Vielen Dank für das Stichwort.« Ich nahm meinen Teebecher und flüchtete in mein Zimmer. Doch eigentlich hatte ich keine Lust zu spielen, ich hatte nur weggewollt aus unserer engen Küche, in der sich das schmutzige Geschirr türmte, weil keiner von uns sich daranmachte, die Spülmaschine auszuräumen. Die Küche war unser gemeinsames Wohnzimmer, der Ort, an dem wir uns täglich begegneten, so gemütlich wie eine Abstellkammer. Spülmaschine, Kühlschrank, Regale mit einem Sammelsurium an Geschirr und Werkzeug, ein wackeliger Campingtisch, zwei Stühle und ein Stapel Bierkisten mit leeren Flaschen, in denen der Schimmel blühte. Die Wändewaren mal weiß gewesen, aber jetzt hatten sie die gleiche Farbe wie die verharschten Schneereste am Straßenrand. Vor dem Fenster erstreckte sich die felsige, baumlose Landschaft, in der ein paar ähnliche, bunt bemalte Häuser standen wie unseres. Rote, blaue, gelbe Klötzchen, wie Spielzeughäuschen. Die Farben sollten fröhlich stimmen, klar, taten sie aber nicht. Die schmutzigen Schneereste und das viele Grau ringsherum, das sich mit dem stumpfen Grün der Flechten und Moose vermischte, waren stärker.
    Ich schaltete den PC ein und trieb mich tatsächlich auf drei, vier Imkerseiten herum. Nach einer halben Stunde summte mir der Kopf und ich war mir tausend Prozent sicher: Das Ganze war eine Schnapsidee meines Vaters und hatte nichts, absolut nichts mit mir zu tun.
    Aber was hatte mit mir zu tun? Was ging mich wirklich etwas an? War nicht mein größtes Problem, dass es nichts und niemanden gab, zu dem ich wirklich passte? Okay, Aqqaluk war mein Freund und Anga war cool und ich mochte ihn, aber sie waren anders als ich, sie lebten wie selbstverständlich in diesem Land und ich glaube, sie liebten es, ganz gleich, ob es eine verdammte Sackgasse am Ende der Welt war. Sie würden hierbleiben, in Grönland, da war ich mir sicher. Solche Typen wie Ingvar, die jede Chance nutzen würden, um irgendwas in Dänemark aufzuziehen, irgendwas, mit dem sie Geld machten – mit denen hatte ich noch viel weniger zu tun. Und mein Vater? Mann, er war erst vierzig, aber er hatte sein Leben gelebt und hatte aufgegeben, noch etwas anderes daraus zu machen, egal, wie viele tolle Ideen er noch ausbrüten würde.
    Das war es doch: Ich war das Ergebnis einer seiner tollen Ideen, in die er sich gestürzt hatte. Grönland! Das große Abenteuer! Die Wildnis! Klettern im ewigen Eis ... Vor zwanzig Jahren war er auf der Suche nach dem ganz großen Kick hier gelandet, dann hatte er ein Inuit-Mädchen aus irgendeinem Kaff im Norden kennengelernt und ein Kind gezeugt. Basta.
    Ich sah mein Spiegelbild in der Fensterscheibe, die dunklen Augen, das schwarze, zottelige Haar, sah den Schatten auf meiner Seele und streckte mir die Zunge raus. Pakkutaq Wildhausen! Meine Großmutter hatte einmal zu mir gesagt: »Mit so einem Namen muss ja etwas Besonderes aus dir werden.« Sie

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