Insektenstachel
eher damit gerechnet, dass Mrs White hier heute wieder antanzt. Die hat nämlich ihre Brieftasche noch immer nicht gefunden. Wie mir Mrs Hazelwood erzählte, hat Mrs White euch im Verdacht. So ein durchtriebenes Luder! Wetten, dass ich mich auch auf ihrer Liste der Verdächtigen befinde? Jugendliches Gesindel oder eine schwarze Putzfrau – wenn jemand von Vorurteilen belastet ist, das könnt ihr mir glauben, dann ist es Jennifer White. Diese Schreckschraube hat heute schon dreimal angerufen und sich nach dieser verfluchten Brieftasche erkundigt. Ich war gerade oben beim Staubwischen und habe euch vom Fenster aus mit dem Wagen kommen sehen. Sonst hätte ich gar nicht geöffnet.«
»Wir fühlen uns geehrt. Wie geht es Mrs Hazelwood denn?«, wiederholte Justus seine Frage.
»Im Vergleich zu gestern schon etwas besser. Wie gesagt, sie schläft gerade. Sie ist der festen Überzeugung, dass diese Stechmücke irgendeine Bakterienart übertragen hat, die ihren Körper außer Gefecht setzt.«
»Dann muss sie sich von einem Arzt untersuchen lassen!«, beharrte der Zweite Detektiv eindringlich.
Laura lachte spöttisch. »Die Lady zum Onkel Doktor zu schicken ist ebenso schwierig, wie einer Kuh das Sprechen beizubringen. Ich habe mir schon den Mund fusselig geredet. Vergeblich. Da beißt man auf Granit!«
»Aber es muss doch eine Möglichkeit geben«, überlegte Bob. »Wenn Mrs Hazelwood das Haus nicht verlässt, dann muss der Arzt eben hierher kommen.«
Laura schüttelte entschieden den Kopf. »Vergiss es. Wir können sie schließlich nicht zwingen. Dazu müssten wir sie erst entmündigen lassen.«
»Ich verlange mehr Respekt«, drang es plötzlich von der Balustrade im Obergeschoss herab.
Dort stand Mrs Hazelwood im Nachthemd und stützte sich auf das Geländer. Ihre offenen Haare waren zerzaust und ließen sie wie ein Nachtgespenst aussehen. Mit langsamen Schritten näherte sie sich der Treppe.
»Äh … hallo, Mrs Hazelwood!« Justus war überrascht. »Wir sind gekommen, um uns nach Ihrem Befinden zu erkundigen!«
In diesem Moment fing die Dame an zu taumeln. Sie suchte am Geländer nach Halt, doch ihre Hände griffen ins Leere. Mit einem Stöhnen sackte sie zu Boden.
Halluzinationen
Peter war der Schnellste. Im Rekordtempo sprintete er die Stufen ins Obergeschoss hinauf und beugte sich zu der am Boden liegenden Dame hinunter. Ihr Gesicht war schneeweiß. Die dunkle Brille war von der Nase gerutscht und hing ihr quer im Gesicht. Die Augenlider waren geschlossen.
»Mrs Hazelwood! Was ist mit Ihnen?« Japsend eilte Justus heran. Ihm folgten Laura und Bob.
»Ist sie ohnmächtig?« Die Hausangestellte griff nach dem Handgelenk, um den Puls zu fühlen.
Energisch zuckte Mrs Hazelwood zusammen. »Niemand fasst mich an, verstanden! Niemand!« Ihre Stimme überschlug sich. Erschrocken ließ Laura von ihr ab.
Ehe sich Mrs Hazelwood langsam wieder aufrichtete, rückte sie ihre Brille zurecht. »Es ist nur ein Schwächeanfall«, erklärte sie. »Vermutlich habe ich die letzten Tage zu wenig gegessen. Ein Arzt kommt mir dennoch nicht ins Haus!«
Justus wunderte sich. Trotz ihres körperlichen Zustandes legte Mrs Hazelwood ein resolutes Verhalten an den Tag, das ihn nachdenklich stimmte.
»Haben Sie denn Appetit, Madam?«, erkundigte sich Laura. »Ich habe eine kräftige Rinderbrühe gekocht. Sie wissen doch: Essen hält Leib und Seele zusammen.«
Mrs Hazelwood schien eine Entscheidung von ihren Besuchern abhängig zu machen. »Würdet ihr mit mir gemeinsam davon probieren? Es wäre mir eine Freude. In Gesellschaft isst es sich angenehmer.«
Justus, Peter und Bob stimmten zu. Und nicht nur, um Mrs Hazelwoods Kräfte zu mobilisieren. Der anregende Duft der Bouillon, der ihnen schon beim Betreten des Hauses in die Nase gestiegen war, ließ ihnen das Wasser im Mund zusammenlaufen.
Zehn Minuten später hatten die drei Detektive die Ehre, in Mrs Hazelwoods Schlafzimmer zu sitzen. Laura hatte ihnen hier die Suppe serviert. Dazu gab es geröstetes Weißbrot. Während die Dame aufrecht sitzend im Bett die Bouillon löffelte, saßen die Jungs an einem kleinen Tisch und langten hungrig zu. Dabei sah sich Justus interessiert um. Er fixierte eine Fotografie, die eingerahmt unter Glas an der Wand hing. Es war das einzige Bild im Schlafzimmer. Mrs Hazelwood stand unter einem Baum und umarmte lachend einen kahlköpfigen Mann, der in einen Apfel biss. »Ist das auf dem Foto ihr Ehemann?«, erkundigte er sich.
Die Dame nickte. »Das
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