Insektenstachel
ist Jill. Aufgenommen wurde das Foto vor vier Jahren bei der Obsternte in unserem Garten.«
Mit einer Serviette tupfte sie sich den Mund ab. Sie sah noch immer erschöpft aus.
»Geht es Ihnen jetzt besser, nachdem Sie etwas gegessen haben?« Auch Bob hatte seinen Teller leer gelöffelt und stellte ihn aufs Tablett zurück.
»Die Suppe hat gut getan. Großes Lob an Laura. Ansonsten muss ich deine Frage verneinen.« Mrs Hazelwood legte sich in eine bequemere Position auf den Rücken. Dann faltete sie die Hände zusammen. »Ihr zweifelt an meinem Verstand, habe ich Recht? Ihr müsst an meinem Verstand zweifeln. Das wäre die logische Konsequenz.«
»Warum?«, fragte Justus knapp.
»Nach allem, was ich euch bisher über mich erzählt habe und was ihr mit mir erlebt habt, wie könnt ihr mich da noch für voll nehmen? «
»Ich habe damit kein Problem«, gab der Erste Detektiv offen zu. »Die einzige Frage, die sich stellt, ist: Wie soll es nun weitergehen? Haben Sie darüber schon nachgedacht?«
»Tage, Wochen, Monate und Jahre.« Mrs Hazelwood rückte ihr Kopfkissen zurecht. »Ohne Erfolg. Ich komme zu keinem vernünftigen Ergebnis.«
»Ihr gesundheitlicher Zustand ist nicht sehr stabil, Madam«, versuchte Peter ihr verständlich zu machen. »Wer oder was auch immer der Auslöser für Ihren Schwächeanfall war – Sie müssen sich untersuchen lassen.«
Mrs Hazelwood presste verbittert die Lippen zusammen. »Fangt nicht schon wieder damit an. Könnt ihr mich denn nicht verstehen?« Es klang wie ein Flehen. »Die Ärzte konnten Jill nicht zurückholen und sie waren auch nicht in der Lage, mein Augenlicht zu retten. Von meinen Erlebnissen in der Kindheit mal ganz abgesehen. Wenn ich mich jetzt in die Obhut eines Arztes begeben würde, liefe ich Gefahr, in eine geschlossene Anstalt eingewiesen zu werden.«
Bob spitzte die Ohren. »Das müssen Sie uns näher erklären.«
Die Dame schluckte. »Seit mich dieses verfluchte Insekt in die Hand gestochen hat, leide ich nicht nur unter Brechreiz und Müdigkeit …« Mit der Zunge fuhr sie sich über die trockenen Lippen. »Ich … ich glaube … ich habe auch Halluzinationen.«
»Sinnestäuschungen?«, vergewisserte sich Peter. »Welcher Art?«
»Die Möbel in diesem Haus verschieben sich. Selbst das Bett hat sich vergangene Nacht bewegt. Während ich darin geschlafen habe!«
»Das gibt es doch nicht!«, rutschte es Bob unüberlegt heraus. Sofort bereute er diese Äußerung.
»Auch der Teppich im Flur ist um einige Zentimeter gewandert«, fuhr sie flüsternd fort. »Und der Schrank im Badezimmer, in dem ich meine Handtücher verwahre, steht auch nicht mehr an derselben Stelle. Zuerst vermutete ich, dass wir ein leichtes Erdbeben hatten. Was ja in dieser Gegend an sich nicht ungewöhnlich ist. Aber in den Nachrichten haben sie nichts verlauten lassen.«
Der Erste Detektiv ließ seine Blicke ums Bett wandern. »Wo stand ihr Bett, bevor sie die Bewegung registriert haben?«
»Hier unter dem Schrägbalken, wo es jetzt auch steht«, erwiderte die Dame. »Es handelt sich ja nur um ein paar Zentimeter. Wenn überhaupt.«
»Wenn überhaupt?« Bob war skeptisch. »Wie ist Ihnen dieser minimale Unterschied denn aufgefallen? Wenn mein Bett zu Hause sich um einige Zentimeter verschoben hätte, käme mir das niemals zu Bewusstsein. Das würde ich gar nicht sehen!«
Mrs Hazelwood legte den Finger an die Lippen. »Meine Füße haben es gespürt. Anhand der Ritzen im Parkettboden. Die Bettpfosten schlossen exakt mit ihnen ab. Das ist nun nicht mehr der Fall. Mit dem Teppich im Flur verhält es sich genauso. Zwischen dem achten und dem neunten Dielenbrett, von meiner Schlafzimmertür aus gesehen, begann der Teppichansatz. Heute Morgen lag das Ende genau an der Ritze des neunten. Ich bin extra noch mal zurückgegangen und habe mich vergewissert.«
»Aber ein Teppich kann doch mal verrutschen«, gab Peter zu bedenken. »Gerade auf einem glatten Holzboden. Da kann man sich böse auf die Nase legen!«
Mrs Hazelwood schüttelte den Kopf. »Aus diesem Grund ist der Läufer mit doppelseitigem Klebeband am Boden befestigt. Auch heute noch. Ich habe das überprüft.«
»Eigenartig«, murmelte Justus. »Und wie war das mit dem Schrank im Badezimmer?«
»Der steht direkt neben dem Waschbecken zwischen der vierten und der elften Bodenfliese. Beim Zähneputzen stieß ich mit meinem linken kleinen Zeh häufig gegen die Kante der rechten Seitenwand. Gestern Abend befand sich diese nicht mehr
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