Insel, aus Traeumen geboren
weshalb ich das nicht getan habe“, fuhr sie ärgerlich auf. „Erstens hast du mich nicht darum gebeten, zweitens gab es für mich dort keinen adäquaten Posten, und drittens …“
„Ich habe dich deshalb nicht gefragt, weil ich mir von deiner Sekretärin erst einen Termin hätte geben lassen müssen, um mit dir sprechen zu dürfen“, fiel er ihr ins Wort. „Du warst ja immer so beschäftigt.“
„Ach, und du warst immer verfügbar? Du hattest dich für jedes Komitee eingeschrieben. Sogar an den Wochenenden bist du hingegangen.“
„Weil ich nichts Besseres zu tun hatte, nachdem du nicht da warst. Ich weiß, dein Beruf hat dir immer sehr viel bedeutet, und du warst darin auch erfolgreich. Dafür hatte ich Verständnis. Deine Gleichgültigkeit mir gegenüber habe ich jedoch nicht nachvollziehen können. Es war dir völlig egal, dass ich dieses Angebot bekam.“
„Das ist nicht wahr! Ich war stolz auf dich. Du hättest keinen besseren Posten bekommen können.“
„Dass ich nicht lache! Du warst so stolz auf mich, dass du nicht einmal zu meinem Abschiedsessen gekommen bist, das die Fakultät für mich gegeben hat.“
„Ich sagte dir doch …“
„Dass du keine Zeit hast, ich weiß. Du hattest sie ja nie, weil du ständig beschäftigt warst. Hättest du dir nicht ein paar Stunden freinehmen können?“
„Wozu? Du hast mein Lob bezüglich deiner großartigen Leistung für die Universität doch nicht gebraucht und auch nicht meine Feststellung, wie sehr man dich vermissen wird. Ich bin sicher, dass dir das dutzendmal versichert worden ist. Dein Ego konnte nur nicht genug davon kriegen.“
Er kniff die Augen zusammen. „Vielleicht. Es wäre aber schön gewesen, es auch von dir zu hören, beziehungsweise überhaupt etwas von dir zu hören. Stattdessen bekam ich nur eine Karte von dir, auf der ‚Viel Glück‘ stand. Es hat dir nicht leidgetan, dass ich gegangen bin. Im Gegenteil, du warst erleichtert.“
„Unterstelle mir nicht solche Dinge!“, gab sie heftig zurück. „Du hast keine Ahnung, wie ich mich gefühlt habe.“ Niemals würde er ermessen können, wie weh es getan hatte, ihn packen und wegfahren zu sehen. Schließlich war sie nicht aus Stein. Wenn sie jetzt alte Probleme wieder aufwärmten, begaben sie sich auf ein gefährliches Terrain. Olivia war keineswegs stolz darauf, wie sie sich am Tag seiner Abreise verhalten und was sie getan hatte, um das Kapitel ihres gemeinsamen Lebens zu beenden.
„Jack, jetzt ist wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, darüber zu reden, was damals geschehen ist“, sagte sie. „Das gehört der Vergangenheit an. Ich möchte nur, dass du mir beim nächsten Mal, wenn du dich wieder einer Expedition anschließt, an der ich teilnehme, Bescheid gibst.“
„Damit du abspringen kannst?“
Genau das würde sie tun. Das hätte sie am liebsten auch jetzt gemacht, wenn es nicht zu spät gewesen wäre. Sie konnte nur versuchen, das Beste daraus zu machen. „Warum sollte ich?“, erwiderte sie betont locker. „Was vorbei ist, ist vorbei. Wir hatten eine nette Zeit miteinander, und wir haben gut zusammengearbeitet. Es gibt keinen Grund, warum wir nicht wieder Kollegen sein können.“
Olivia hatte so kühl und sachlich geklungen, als wäre Jack privat für sie kein Thema mehr, dabei war sie ausgesprochen emotionsgeladen. Wenn sie doch nur all die Erinnerungen verdrängen könnte, die jetzt auf sie einstürmten!
„Das ist gut zu wissen“, erwiderte er gelassen. „Das wird uns beiden die Zusammenarbeit erleichtern. Man darf sich dabei nur nicht von Gefühlen leiten lassen.“
Wie oft hatte sie das schon von ihm zu hören bekommen? Jedes Mal hatte sie ihm entgegengehalten, dass so etwas unmöglich sei, doch er hatte das Gegenteil behauptet. Warum von Neuem darüber streiten? Auseinandersetzungen mit Jack waren zwecklos und frustrierend, weil keiner von ihnen daraus als Sieger hervorging.
„Ich habe damit kein Problem“, versicherte sie.
„Gut, dann wäre das geklärt.“ Er setzte sich neben sie und streckte die Beine aus.
Bei Außenstehenden erwecken wir bestimmt den Eindruck, als wären wir flüchtige Bekannte und kein Ehepaar, das sich vor ein paar Minuten noch alle möglichen Anschuldigungen an den Kopf geworfen hat, dachte Olivia unwillkürlich. Wie konnte Jack so ungerührt bleiben? Weil sie ihm gleichgültig war. Er war seinen Weg weitergegangen, ohne zurückzuschauen. Also musste sie ihm zeigen, dass sie dasselbe getan hatte. Sie spürte seinen
Weitere Kostenlose Bücher