Insel der blauen Delphine
klein. Er taugte höchstens zum Fischen. Nach dem Gesetz des Stammes von Ghalasat durften Frauen keine Waffen anfertigen. Ich begann also nach Waffen zu suchen, die vielleicht von meinen Leuten zurückgelassen worden waren. Zuerst kehrte ich in das verbrannte Dorf zurück und durchwühlte die Aschenhaufen in der Hoffnung, einen oder zwei Speerköpfe zu finden. Da ich nichts fand, ging ich zu der Stelle, wo die Kanus lagen. Vielleicht hatten meine Leute dort nicht nur Ess-und Trinkvorräte, sondern auch Waffen versteckt. Doch die Kanus unter der Klippe waren leer. Da fiel mir die Kiste der Aleuter ein. Die Jäger hatten sie an Land gebracht und ich erinnerte mich, sie während des Kampfes am Strand gesehen zu haben. Was hernach geschah, ob sie am Strand stehen blieb oder ob die Aleuter sie wieder mitnahmen, wusste ich nicht mehr. Ich ging in die Korallenbucht. Es war die Zeit der Ebbe. Außer langen Strängen von Seegras, die der Sturm angeschwemmt hatte, war der Strand leer. Trotzdem schaute ich an der Stelle nach, wo die Kiste gestanden haben musste. Sie befand sich dicht unterhalb des Felsens, auf welchem Ulape und ich den Kampf in der Bucht beobachtet hatten. Mit einem Stock begann ich Löcher in den Sand zu bohren, eines dicht neben dem anderen, in einem immer enger werdenden Kreis. Es war ja denkbar, dass der vom Wind verwehte Sand die Kiste zugedeckt hatte. Halbwegs gegen die Mitte des Kreises stieß ich mit dem Stock auf etwas Hartes. Erst hielt ich es für ein Stück Fels, doch als ich mit den Händen tiefer grub, kam der schwarze Deckel der Kiste zum Vorschein. Den ganzen Vormittag lang mühte ich mich damit ab, die Kiste freizulegen. Im Auf und Ab von Ebbe und Flut war sie immer tiefer eingesunken, aber ich hatte auch nicht die Absicht, sie ganz aus dem Sand zu graben; ich wollte nur den Deckel heben. Mit der steigenden Sonne brandete die Flut in die Bucht und machte meine ganze Arbeit zunichte. Das Loch füllte sich wieder mit Sand, bis von der Kiste nichts mehr zu sehen war. Ich rührte mich nicht von der Stelle, obgleich ich bis zum Gürtel im Wasser stand, denn wenn ich jetzt weglief, konnte ich nachher mit dem Suchen wieder von vorne beginnen. Als die Ebbe einsetzte, fing ich erst mit den Füßen, dann mit den Händen von Neuem zu graben an. Endlich lag die Kiste frei. Ich schlug den Deckel zurück. Da lagen sie vor mir die Halsketten, Armbänder und Ohrringe, Dutzende und Dutzende in schillernden Farben. Ich vergaß die Speerspitzen, die ich hier zu finden gehofft hatte. Mit beiden Händen wühlte ich in dem Schatz. Jedes Schmuckstück, das mir besonders gefiel, hielt ich ins Sonnenlicht und drehte es nach allen Seiten, damit die Strahlen sich in den gläsernen Perlen fangen konnten. Die längste Kette, die aus blauen Glasperlen bestand, legte ich mir um den Hals. Ich streifte mir auch ein Paar blaue Armbänder über die Handgelenke und sie hatten genau die richtige Größe für mich. Dann spazierte ich den Strand entlang und bewunderte mich. Ich schritt bis zum anderen Ende der Bucht. Die Perlen und die Armbänder klirrten. Ich fühlte mich wie eine Häuptlingsbraut, wie ich da am Wasser auf und ab stolzierte. An der Stelle, wo der Pfad abzweigt und wo der Kampf stattgefunden hatte, blieb ich plötzlich stehen. Hier waren unsere Männer umgekommen, getötet von den Händen der Aleuter, deren Schmuck ich trug. Ich ging zurück zur Kiste. Dort stand ich lange Zeit und betrachtete die Armbänder und die Glasperlen an meinem Hals. Sie waren so schön und sie glitzerten so herrlich in der Sonne. “Sie gehören nicht mehr den Aleutern”, sagte ich laut, “sie gehören mir. ” Dennoch wusste ich, dass ich sie nie wieder tragen würde. Zögernd streifte ich sie ab. Dann raffte ich alles zusammen, was in der Kiste lag, lief damit ins Meer hinaus und warf es ins Wasser, wo es am tiefsten war. Da die Kiste keine Speerspitzen enthielt, war sie für mich wertlos geworden. Ich warf den Deckel zu und häufte Sand darüber. Später suchte ich auch den Boden unterhalb des Pfades ab. Ich fand jedoch nichts Brauchbares. Da gab ich das Suchen auf. Tagelang dachte ich nicht mehr an die Waffen, bis eines Nachts die wilden Hunde kamen. Sie umzingelten den Felsblock, auf dem ich schlief, und heulten ohne Unterlass. Gegen Morgen entfernten sie sich, aber ich konnte sie den ganzen Tag im dichten Gestrüpp umhertappen sehen und ich spürte, dass sie mich beobachteten. Als es wieder Abend wurde, kamen sie zurück. Sie
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