Insel der blauen Delphine
So, wie ich meinem Vater zugeschaut hatte, wenn er seine Pfeile und Bogen schnitzte, so hatte ich auch gesehen, wie die Männer ihre Fischspeere anfertigten, und dabei doch nichts gelernt. Nun, ich wusste wenigstens, wie ein Speer aussah und wie man damit umging. Aus meinen spärlichen Erinnerungen und nach vielen vergeblichen Versuchen brachte ich meine neue Waffe schließlich zustande. Auf dem Hüttenboden sitzend hatte ich unzählige Stunden daran gearbeitet, während Rontu neben mir schlief und die Stürme an dem Dach rüttelten. Ich besaß noch vier SeeElefanten-Zähne. Drei zerbrachen mir unter den Fingern. Aus dem letzten schnitzte ich einen Speerkopf mit einem Widerhaken an der Spitze. Ich steckte ihn in den steinernen Ring am Schaftende und befestigte daran eine lange Schnur aus geflochtenen Sehnen. Wenn der Speer den Teufelsfisch traf, fiel der Speerkopf aus dem Schaft. Der Schaft trieb auf dem Wasser, aber der spitze Widerhaken blieb im Fisch stecken und ich konnte den Fisch an der Schnur, die ich mir um das Handgelenk gebunden hatte, an Land ziehen. Diese besondere Art von Speer eignete sich gut zum Fischen, da man die Waffe aus großer Entfernung schleudern konnte. Am ersten Frühlingstag kehrte ich mit meinem neuen Speer in die Korallenbucht zurück. Dass es Frühling war, verrieten mir die kleinen schwarzen Vögel, die schon seit den ersten Morgenstunden durch die Luft schwirrten und die nur in dieser Jahreszeit auf die Insel kamen. Sie kamen aus dem Süden und blieben meist zwei Sonnen lang. Sie suchten in den Schluchten nach Nahrung und dann flogen sie in einem einzigen großen Schwarm weiter nach Norden. Rontu begleitete mich nicht zur Bucht. Ich hatte ihn aus der Umzäunung gelassen und er war nicht zurückgekommen. Im vergangenen Winter waren die wilden Hunde oft um das Haus gestrichen. Rontu hatte sich nie um sie gekümmert, doch am vergangenen Abend, als sie kamen und wieder verschwanden, war er winselnd am Zaun auf und ab gelaufen. Sein sonderbares Verhalten beunruhigte mich. Und da er jede Nahrung verweigerte, hatte ich ihn schließlich hinausgelassen. Ich schob das Kanu ins Wasser und ließ mich auf das Riff zutreiben, wo die Teufelsfische hausen. Das Wasser war klar wie die Luft über mir. Das Farnkraut in der Tiefe flatterte, als wehte eine Brise darüber hin, und zwischen den Blättern schwammen die Teufelsfische mit schaukelnden Armen. Es tat gut, nach den Winterstürmen wieder auf dem Meer zu sein, und ich freute mich über meinen neuen Speer; dennoch musste ich den ganzen Morgen an Rontu denken und deshalb war ich nicht so glücklich, wie ich es hätte sein sollen. Während ich nach dem Riesenteufelsfisch jagte, fragte ich mich ständig, ob Rontu wohl zurückkommen würde oder ob er fortgegangen war, um wieder mit den wilden Hunden zu leben. Vielleicht würde er wieder mein Feind sein. Doch selbst wenn dies geschähe, wenn Rontu wieder mein Feind würde, könnte ich ihn nicht mehr töten, da er doch mein Freund gewesen war. Als die Sonne am höchsten stand, ruderte ich zurück und versteckte das Kanu in der Höhle, die wir entdeckt hatten, Rontu und ich. Denn die Zeit war gekommen, da die Aleuter wieder in die Korallenbucht einfahren konnten, um Otter zu jagen. Anstelle des Riesenfisches hatte ich nur zwei Barsche gefangen. Damit kletterte ich die Klippe empör. Den Plan, zwischen der Höhle und meinem Haus einen Pfad auszutreten, hatte ich längst aufgegeben. Jeder Fremde, der an dieser Stelle der Küste landete oder sich auf die Bergkuppe verirrte, hätte ihn von Weitem gesehen und sogleich gewusst, dass jemand hier wohnte. Es war eine mühsame Kletterei. Als ich oben ankam, blieb ich eine Weile liegen, um Atem zu schöpfen. Die Insel lag still und friedlich in der Frühlingssonne. Das Einzige, was den Frieden störte, war das Kreischen der Möwen, die sich über die fremden kleinen Vögel ärgerten. Dann aber hörte ich plötzlich wütendes Hundegebell. Der Lärm kam von sehr weit her, aus der Richtung der Schlucht, und es schienen viele Hunde zu sein. Ich riss den Bogen von der Schulter und begann zu laufen. Ich lief den Pfad entlang, der zur Quelle führte. Überall sah ich die Spuren der wilden Hunde und dazwischen die breiten Pfotenabdrücke Rontus. Die Spuren zogen sich durch die Schlucht bis zu den Klippen. Von dort her kam der Kampflärm. Bogen und Pfeile behinderten mich auf dem schmalen, gewundenen Schluchtenpfad, weshalb ich nur langsam vorwärtskam. Endlich erreichte ich
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