Insel der blauen Delphine
anderen Durchgang zu schaffen. Auf diese Weise brachte ich den Hund ins Haus. Er sah mich nicht an, er hob nicht einmal den Kopf, als ich ihn auf den Boden legte doch er atmete mit offenem Maul. Ein Glück, dass der Pfeil nur eine kleine Spitze hatte. Ich zog ihn mühelos heraus, obwohl er tief ins Fleisch gedrungen war. Der Hund regte sich nicht. Er zuckte auch nicht zusammen, während ich die Wunde mit dem geschälten Zweig eines Korallenbusches reinigte. Die Beeren dieses Busches sind giftig, aber sein Holz heilt viele Wunden, denen anders nicht beizukommen ist. Seit Tagen hatte ich nicht mehr nach Nahrung gesucht und die Körbe waren leer. Ich ließ Wasser für den Hund zurück, und nachdem ich den Zaun wieder geflickt hatte, ging ich hinunter ans Meer. Ich glaubte nicht, dass der Hund noch lange leben würde, aber es war mir gleichgültig. Einen ganzen Tag lang kletterte ich zwischen den Küstenfelsen umher und las Muscheln von den Steinen und nur ein einziges Mal dachte ich an den verwundeten Hund, meinen Feind, der in meinem Hause lag. Ich fragte mich, warum ich ihn nicht getötet hatte. Er lebte immer noch, als ich zurückkehrte, aber er hatte sich nicht von der Stelle gerührt. Wieder reinigte ich die Wunde mit einem Korallenzweig. Dann hob ich seinen Kopf und goss ihm Wasser ins Maul. Er schluckte. Und dann sah er mich an, zum ersten Mal, seit ich ihn auf dem Pfad gefunden hatte. Seine Augen waren eingesunken. Sie schienen mich von weit hinten her anzuschauen. Vor dem Schlafengehen gab ich ihm nochmals frisches Wasser zu trinken. Am Morgen, ehe ich ans Meer ging, legte ich Futter für ihn bereit, und als ich nach Hause kam, sah ich, dass er alles gefressen hatte. Er lag in einer Ecke. Er beobachtete mich, während ich Feuer machte und mein Nachtmahl zubereitete. Seine gelben Augen folgten mir, wo ich ging und stand. In jener Nacht schlief ich oben auf dem Felsen, weil ich mich vor ihm fürchtete. Tags darauf ließ ich beim Fortgehen das Loch im Zaun für ihn offen, aber abends war er immer noch da. Er lag in der Sonne, den Kopf zwischen die Vorderpfoten gebettet. Ich hatte mir zum Abendbrot zwei Fische gefangen, die ich am Speer aufgespießt nach Hause trug. Da der Hund sehr mager war, teilte ich die Beute mit ihm, und nachdem er seinen Fisch verzehrt hatte, kam er zu mir ans Feuer, legte sich nieder und schaute mich mit seinen gelben Augen an. Es waren ganz schmale Augen und sie standen ein bisschen schräg. Vier Nächte verbrachte ich auf dem Felsen und jeden Morgen ließ ich das Loch unter dem Zaun unversperrt, damit er fortgehen konnte. Jeden Tag tötete ich einen Fisch für ihn und jedes Mal, wenn ich nach Hause kam, stand er hinter dem Zaun und wartete auf sein Fressen. Solange ich den Fisch in der Hand hielt, rührte er ihn nicht an; zuerst musste ich ihn auf den Boden legen. Einmal streckte ich die Hand nach ihm aus, doch er wich gleich zurück und fletschte die Zähne. Am vierten Tag kehrte ich früher als gewöhnlich von der Küste zurück. Der Hund stand nicht hinter dem Zaun. Ein eigentümliches Gefühl überkam mich. Bis zu diesem Tage hatte ich immer gehofft, er werde nicht mehr da sein, wenn ich abends nach Hause kam, doch jetzt, als ich unter dem Zaun durchkroch, war alles anders. Ich rief: “Hund, Hund!” Ich hatte keinen anderen Namen für ihn. Rufend lief ich zum Haus. Er lag drinnen auf dem Boden, war jedoch im Begriff aufzustehen, denn er reckte sich und gähnte. Zuerst schaute er auf den Fisch in meiner Hand, dann blickte er zu mir auf und wedelte mit dem Schwanz. Von da an schlief ich wieder im Haus. Ich dachte mir auch einen Namen für ihn aus, weil ich ihn nicht länger einfach “Hund” nennen wollte. Der Name, der mir einfiel, war Rontu, was in unserer Sprache Fuchsauge bedeutet.
Kapitel 16
Das Schiff der weißen Männer kam nicht. Es kam weder im Frühjahr noch im Sommer. Dennoch hielt ich jeden Tag nach ihm Ausschau, ob ich oben auf der Bergkuppe Beeren sammelte, in der Bucht nach Muscheln suchte oder mein Kanu ausbesserte. Ich hatte mir noch keinen festen Plan zurechtgelegt für den Fall, dass die Aleuter kämen. Ich konnte mich in der Höhle verstecken, denn sie war von dichtem Gebüsch umgeben und die Schlucht, in der sie sich befand, war für einen Fremden fast unzugänglich. Von den Vorräten, die ich in die Höhle geschafft hatte, konnte ich einen ganzen Sommer lang leben. Und was die Quelle betraf, so wussten die Aleuter anscheinend nichts von ihr; jedenfalls hatten
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