Insel der blauen Delphine
wieder auf den Füßen zu stehen. Den gefleckten Hund ließ er liegen. Er richtete sich auf und schritt bedächtig den Hügel hinan. Oben blieb er stehen, legte den Kopf in den Nacken und ließ ein lang gezogenes Geheul ertönen. Ich hatte diesen Laut noch nie vernommen. Es klang nach vielen Dingen, die mir unbegreiflich waren. Später lief er an mir vorbei die Schlucht hinauf. Als ich nach Hause kam, wartete er dort auf mich, als wäre er nie fort gewesen und als wäre nichts geschehen. Danach ging Rontu nie mehr fort, solange er lebte, und die wilden Hunde, die sich seit jenem Tag aus irgendeinem Grunde in zwei Rudel aufgespaltet hatten, wagten sich nie mehr bis zu meinem Hause vor.
Kapitel 18
Nach den heftigen Winterregen kam der Frühling mit einer Fülle von Blumen. Die Dünen waren von Sandblumen bedeckt, roten Blüten mit winzigen weißen oder rosafarbenen Augen. Zwischen den Felsblöcken in der Schlucht blühten die hohen Yuccastängel. Auf ihren Köpfen ringelten sich Bälle, blassgelb Wie die aufgehende Sonne und nicht größer als Kieselsteine. Lupinen wuchsen an den Ufern der Bäche und aus den übersonnten Klippen, aus Ritzen, die ihnen kaum genügend Halt boten, ließen Komulsträucher ganze Bäche aus roten und gelben Blüten rieseln. Auch Vögel und Insekten gab es in großer Zahl. Ich sah viele Hummeln, die bisweilen ganz still in der Luft hängen und wie blanke Steine glänzen und den Honig mit langen Rüsseln aus den Blumen saugen. Oft sah ich blaue Häher, streitsüchtig wie immer, und schwarzweiße Spechte, die in die Yuccastängel und in die Balken meiner Hütte, ja sogar in die Walrippen meines Zauns ihre Löcher pickten. Auch rot gefiederte Amseln kamen aus dem Süden geflogen, Scharen von Krähen und ein gelber Vogel mit einem scharlachroten Kopf, den ich noch nie gesehen hatte. Ein Vogelpaar nistete sich in einem verkrüppelten Baum neben meiner Hütte ein. Sein Nest bestand aus Fasern vom Yuccastrauch. Oben hatte es ein kleines Loch und hing wie ein Beutel am Ast. Das Vogelweibchen legte zwei gesprenkelte Eier, die es gemeinsam mit dem Männchen ausbrütete. Als die Jungen ausgeschlüpft waren, legte ich Abalonereste unter den Baum, mit denen die Mutter ihre Brut fütterte. Die jungen Vögel glichen weder ihrer Mutter noch ihrem Vater. Sie waren grau und sehr hässlich. Dennoch nahm ich sie aus dem Nest und steckte sie in einen kleinen Käfig, den ich aus Schilfrohr angefertigt hatte. So gewann ich zwei neue Freunde, die mir Gesellschaft leisteten, nachdem zu Beginn des Sommers alle Vögel außer den Krähen die Insel verlassen hatten und weiter nach Norden gezogen waren. Sie bekamen bald ein sehr schönes Gefieder, genau wie ihre Eltern, und sie piepsten auch auf die gleiche Art. Es war ein sanftes “Riiip, Riiip”, sehr klar und viel hübscher als das Kreischen der Möwen oder der Krähen oder das Geschwätz der Pelikane, das sich anhört wie das Schimpfen zahnloser alter Männer. Gegen Mitte des Sommers war der Käfig für meine zwei Vögel zu klein geworden. Ich fertigte jedoch keinen größeren an, vielmehr schnitt ich beiden je eine Flügelspitze ab, damit sie nicht fortfliegen konnten, und ließ sie dann frei im Haus umherflattern. Bis die Flügelspitzen nachgewachsen waren, hatten sie gelernt, mir aus der Hand zu fressen. Sie ließen sich vom Dachbalken herunterfallen, klammerten sich an meinem Arm fest und piepsten bettelnd ihr Riiip. Später stutzte ich ihnen ein zweites Mal die Flügel. Dann trug ich sie vors Haus, wo sie hopsend nach Würmern und Körnern suchten oder sich auf Rontus Rücken setzten, um zu schlafen. Rontu ließ es sich gefallen. Er hatte sich rasch an die neuen Gäste gewöhnt. Als ihre Flügel wieder nachgewachsen waren, ließ ich sie fliegen, wohin sie wollten. Sie flogen jedoch nie weiter als bis zur Schlucht und kehrten jeden Abend zum Schlafen ins Haus zurück. Und sie hörten nie auf, um Futter zu betteln, mochten sie tagsüber noch so viel gefressen haben. Den größeren der beiden Vögel nannte ich Tainor. Es war der Name eines jungen Mannes, den ich gerngehabt hatte und der im Kampf mit den Aleutern gefallen war. Dem anderen gab ich den Namen Lurai, weil ich schon immer Lurai hatte heißen wollen und nicht Karana. In dieser Zeit entstand mein neues Kleid. Ich nähte es mir wieder aus Yuccafasern wie das erste, nur weichte ich die Fasern diesmal im Wasser vor und focht sie zu Bändern. Das Kleid hatte Falten von oben bis unten. Es war an den Seiten
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