Insel der Freibeuter
werde mein Bestes tun, um dir zu helfen, doch versprechen kann ich nichts. Pedrárias haßt mich
und wird jeden Vorwand nutzen, mich abzusetzen.«
Er schnalzte mit der Zunge und verzog angewidert
seinen Mund. »Und die Zeiten sind schlecht für Leu-te ohne Einkommen.«
»Das waren sie immer.«
»Heute ist es schlimmer. Die Casa setzt Sklaven
ein, um nach Perlen zu tauchen, und obwohl die
meisten dabei krepieren oder ersaufen, sind es so viele, daß die traditionellen Taucher keine Arbeit mehr haben. Ganze Familien mußten auswandern,
um nicht zu verhungern.«
»Und keiner tut was?«
»Was sollten sie schon tun? Pedrárias ist hier wie ein Vizekönig, und wenn man ihm nicht sicher
nachweisen kann, daß er wirklich ein Sklavenhänd-
ler ist, wird keiner ihm die Macht entreißen.«
»Es war sein Schiff, das ich versenkt habe.«
Hauptmann Mendana musterte ihn, ohne seine
Verblüffung zu verbergen.
»Du willst das gewesen sein? Nach allem, was er-
zählt wird, hat Kapitän Jacare Jack den Pott ver-
senkt. Wenigstens war es sein Schiff.«
Die Antwort des Jungen klang ungewöhnlich ernst:
»Um Euch zu belügen verdanke ich Euch zu viel,
und ich bin sicher, Ihr werdet es niemandem weiter-erzählen, was ich Euch jetzt sage.« Sebastián machte eine kurze Pause, bevor er leise hinzufügte: »Inzwischen bin ich Kapitän Jacare Jack, und das Schiff gehört mir.«
Der Offizier brauchte eine Weile, bevor er einen
leisen erstaunten Pfiff ausstieß, musterte sein Gegenüber von Kopf bis Fuß, als fiele es ihm unendlich schwer zu akzeptieren, daß jener kleine Junge, dem er manche schmerzhafte Kopfnuß verpaßt hatte, heute ein gefürchteter Piratenführer war. Beiläufig, als hätte das alles nicht die geringste Bedeutung, fuhr er fort:
»Das ändert die Lage, und wenn ich dich noch
einmal auf der Insel erwische, laß ich dich aufhängen.«
»Das weiß ich.«
»Niemals hätte ich geglaubt, daß so was aus dir
werden würde«, versetzte Sancho Mendana mit
sichtlichem Bedauern. »Es hat mir gefallen, dich als meinen eigenen Sohn anzusehen, und obwohl ich
zugeben muß, daß sie dich dazu getrieben haben,
kann ich einfach nicht akzeptieren, daß aus dir etwas geworden ist, was ich verabscheue.«
»Verabscheut Ihr die Piraten mehr als die Beamten der Casa oder die Sklavenhändler?«
»Nicht mehr, aber ebenso. Die ehrlichen Menschen
in diesem Teil der Welt leben in ständiger Furcht, daß Leute von eurem Schlag sie mitten in der Nacht überfallen, ihre Frauen schänden, ihre Söhne umbringen und ihre Häuser anzünden. Kein Pirat, nicht einmal du, verdient etwas anderes als eine Schlinge um den Hals.«
»Tut mir leid, Euch so sprechen zu hören«, entgegnete der Junge betrübt. »Ich schätze Euch.«
»Ich dich auch. Doch du bist es, der sich außerhalb des Gesetzes gestellt hat.«
»Gesetz?« klagte der Margariteno. »Was für ein
Gesetz? Das Gesetz, das mir alles genommen hat,
was ich besaß?«
»Deine Mutter hat dich aus freien Stücken verlas-
sen, und ich denke, es gibt kein Gesetz dagegen«, gab ihm der andere zu bedenken und legte die Pfeife zur Seite, als wollte sie ihm plötzlich nicht mehr schmecken. »Es war bestimmt nicht gerecht, deinen Vater einzusperren, darum habe ich euch auch bei
der Flucht geholfen, aber zu akzeptieren, daß du
zum Piratenkapitän wirst, ist was ganz anderes. Geh in dich! Noch ist es Zeit.«
Sebastián Heredia schüttelte den Kopf.
»Zu spät! Vor drei Wochen habe ich eine Schar
Sklavenhändler ins Meer werfen lassen.«
»Wen schert denn das?« warf der Offizier ein.
»Meiner Meinung nach ist es kein Verbrechen,
Sklavenhändler über Bord zu werfen. Eher im Ge-
genteil.« Er legte seine Hand auf den Unterarm des Jungen und fuhr fast flehentlich fort: »Vergiß sie, gib dieses verfluchte Schiff auf, und such dir das Leben, das sie dir als Kind beigebracht haben.«
»Als Kind habe ich gelernt, daß nur ein reicher
Mann aufzutauchen braucht, und alles, woran du
glaubst, ist nur noch ein Scherbenhaufen«, lautete die bittere Antwort. »Eine einzige Tat löscht eine Million Worte aus.«
»Wenn du dein Leben nach dem ausrichtest, was
sie dir in einem bestimmten Augenblick angetan
haben, dann machst du dich zum Sklaven deiner
Vergangenheit«, urteilte der Offizier überzeugt.
»Jetzt, wo du schon ein Mann bist, hast du kein
Recht mehr, deine Taten mit den Irrtümern deiner
Mutter zu entschuldigen.«
»Da gehen die Meinungen
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